Er ist der Schweizer Rückhalt schlechthin, aber er kommt aus einer tückischen Verletzung: Vor dem WM-Auftakt der Schweiz gegen Kamerun am Donnerstag fragt sich die Nation: Wie fit ist Yann Sommer?
Als das Nationalteam am letzten Donnerstag in Abu Dhabi ihr einziges Testspiel gegen Ghana bestritt, atmeten die Schweizer Fussballfans zuerst auf. Und waren am Ende doch wieder besorgt. 26 Tage nachdem Yann Sommer in einem Spiel mit seinem Klub Borussia Mönchengladbach unglücklich umgeknickt war, gab er rechtzeitig vor dem WM-Start sein Comeback. 90 Spielminuten später standen neue Fragezeichen im Raum. Sie lauteten: Wie fit ist Yann Sommer? Und wie sehr hat das Timing unter der Verletzungspause gelitten?
Die Schweiz verlor den Test gegen Ghana 0:2. Und so wenig aussagekräftig das Spiel in der brütenden Hitze auch war, so wenig überzeugend war die Leistung des sonst so zuverlässigen Schweizer Nummer-1-Goalies. Bei beiden Gegentoren agierte Sommer zögerlich. Weil er nichts riskieren wollte? Oder weil er wegen dem fehlenden Rhythmus Probleme mit dem Timing hatte? Laut dem Mediensprecher des Schweizerischen Fussballverbandes war es Zweiteres.
Dass Sommer nach der Partie ausser einem kurzen Statement beim Schweizer Fernsehen («Dem Fuss geht es gut, ich bin happy.») keine weiteren Auskünfte gab und bis zum Kamerun-Match schweigen wird, er am nächsten Tag nicht trainierte und Nationalcoach Murat Yakin Gregor Kobel zeitnah zur Nummer 2 erklärte, sorgte für neue Spekulationen.
Grünes Licht vom Teamarzt
Am Sonntag schliesslich trat der Schweizer Teamarzt Pierre-Etienne Fournier vor die Medien und sandte lauter positive Signale aus. Sommer habe grünes Licht für Kamerun, ihm gehe es von Tag zu Tag besser. Sommer trainiere ohne Medikamente, das Fussgelenk zeige keine Reaktionen mehr und sei auch nach dem Ghana-Test nicht angeschwollen. Und: Mit Tapes lasse sich das Fussgelenk so stabilisieren, dass kein Risiko auf eine erneute Verletzung bestehe.
So weit, so gut. Aber ist es die ganze Wahrheit? Natürlich spricht ein Mannschaftsarzt im Sinne der Mannschaft. Sollte es Sommers Fuss nicht gut gehen, hätte Fournier dies kaum in aller Offenheit kommuniziert. Der Doktor sagte auch, dass eine Verstauchung am Sprunggelenk banal klinge, aber eine komplizierte Angelegenheit sein könne. Man könne froh sein, sei Sommer nur vier Wochen ausgefallen.
Sommer dürfte am Donnerstag spielen, wenngleich mit Gregor Kobel ein formstarker Ersatz bereitsteht und Murat Yakin wiederholt betonte, die Form sei entscheidend bei seiner Personalwahl. Seine Ära in der Nationalmannschaft droht damit nicht abrupt zu enden, weil der fast so starke und hochtalentierte Kobel ihn mit einer Glanzleistung im Auftaktspiel vergessen machen könnte.
Parallelen zu Manuel Neuer
Es wäre wohl vermessen, Sommers Fall mit dem deutschen Welttorhüter Manuel Neuer an der WM 2018 zu vergleichen. Aber eine gewisse Parallele ist vorhanden. Neuer, 2014 Weltmeister mit Deutschland in Brasilien sowie zweifacher Champions-League-Sieger und zehnfacher Meister mit Bayern München, war vor der WM in Russland ebenfalls am Fuss verletzt. Auch bei ihm drängte auf dem Weg zum Comeback die Zeit. Auch ihm fehlte der Rhythmus, als das Turnier begann.
Obwohl Neuer vor der WM ein Dreivierteljahr ausgefallen war und erst kurz vor Turnierstart in einem Testspiel sein Comeback gab, stand er in Russland im Tor. Die Deutschen scheiterten dann als Weltmeister hochkant in der Gruppenphase – aber nicht wegen Neuer, sondern trotz Neuer.
Neuer verschuldete im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea in der 96. Minute einen Gegentreffer – das 0:2, weil er in der Verzweiflung weit aus dem Tor rückte und den Ball verlor. Am Torhüter lag das klägliche Aus nicht. Neuer hatte wenig Anlaufzeit benötigt, um wieder der gewohnt sicherere Rückhalt zu sein. Etwas, das auch Yann Sommer zuzutrauen ist.
SDA