Zeit für den KaderschnittZeit für den Kaderschnitt – Teil 5: Diese Spieler können (mehr) Dampf über die Flügel machen
Syl Battistuzzi
9.7.2018
Das Kapitel «WM 2018» ist für die Schweiz abgeschlossen, das Resultat bekanntermassen ernüchternd. Nun wird es Zeit für einen sanften Umbruch. Einige ältere Spieler müssen sich zurückziehen, um Platz für talentierte Junge zu schaffen. Denn was bei einem verpassten Kaderschnitt passiert, ist bei Titelverteidiger Deutschland zu sehen. Deshalb hier eine Vision für die nächste Mission. Heute nehmen wir die Flügelspieler unter die Lupe.
Rechtes und linkes Mittelfeld
Aktuell im WM-Kader:
Xherdan Shaqiri (26)
Shaqiri will am liebsten auf der Zehnerposition agieren, doch Petkovic stellte den «Kraftwürfel» bei der WM am rechten Flügel auf. Dort zeigte er Licht und Schatten, geniale Momente und ungenügende Defensivarbeit wechselten sich fast im Minutentakt ab. Im Achtelfinale zog der Profi von Stoke City ständig in die Mitte, wo er gegen die massierte Schweden-Defensive auflief. Es war erstaunlich anzusehen, wie der Linksfüsser sich schon fast weigerte, aussen vorbeizuziehen, nur um den schwächeren Fuss zu vermeiden. So ist seine Zukunft vielleicht doch eher im Zentrum anzusiedeln. Denn «Shaq» kann in der Nati immer noch den Unterschied ausmachen.
Steven Zuber (26)
Bei Hoffenheim lief ihm letzte Saison Nico Schulz den Rang ab und besetzte im 3-5-2 den linken Mittelfeldposten. An der WM lief Steven Zuber aufgrund seiner Defensivqualitäten in der Startelf auf und verdrängte den offensiver eingestellten Embolo auf die Bank. Der fleissige Zuber war gewohnt solide, ohne im Angriff (mal von seinem Kopfballtor egegen Brasilien abgesehen) für entscheidende Impulse zu sorgen. Kurzum: Für die Defensiv-Variante ein sicherer Wert, aber ein richtiger Aussenspieler ist er definitiv nicht. Falls er in seinem Klub wieder häufiger eingesetzt wird, kann Zuber je nach Taktik auch in Zukunft eine gute Alternative auf der Seite sein.
Mögliche Alternativkandidaten:
Admir Mehmedi (27)
Der Wolfsburger war nach nach einem Bänderriss im Fuss noch nicht richtig fit und musste im Trainingslager kapitulieren. Damit hatte Mehmedi ein weiteres bitteres Kapitel in den letzten Monaten zu verdauen. Im ersten Halbjahr bei Leverkusen meist nur Ersatz, wechselte er in der Winterpause in die Autostadt und verletzte sich dann wenig später. In der Nati war Mehmedi bis dahin fast in der ganzen WM-Qualifikations-Kampagne der Fixstarter auf der linken Seite. Dort ist er meist ein belebendes Element im Schweizer Spiel, auch wenn der dribbelstarke Mehmedi torgefährlicher sein könnte. Falls er nach seiner langen Verletzungspause zurück zu seiner Form findet, wird Mehmedi mit seiner unkonventionellen Art bald in die Nati zurückkehren.
Valentin Stocker (29)
Nach dreieinhalb (durchwachsenen) Jahren in der Bundesliga kehrte der Krienser in der Winterpause zu seinem Stammklub Basel zurück. Doch die Rückkehr des verlorenen Sohnes verlief nicht wie geplant. Valentin Stocker verkörperte schon fast das diesjährige Scheitern des FCB. So vergab er im enscheidenenden Spitzenkampf gegen YB mehrere Hochkaräter. Mit nur je zwei Toren und Assists in 14 Super-League-Spielen blieb Stocker deutlich unter den Erwartungen. In der Nati spielte er letztmals vor knapp 20 Monaten. Zusätzlich haben ihn in der jüngeren Vergangenheit diverse Verletzungen geplagt. Es wird also ein steiniger Weg zurück in die Nati werden. Mit seiner Beidfüssigkeit und dem Zug aufs Tor brächte Stocker Stärken mit, die der SFV-Auswahl äusserst gut tun würden.
Renato Steffen (26)
Im Winter wechselte Steffen für kolportierte drei Millionen Franken von Basel nach Wolfsburg. Der VfL befand sich dann aber mitten im Abstiegskampf, wobei der Aarauer nur unregelmässig eingesetzt wurde. Auch für die Nati wurde Steffen in den letzten Spielen nicht mehr aufgeboten. Mit der Verpflichtung von Felix Klaus von Hannover hat der Verein nochmals den Druck auf Steffen erhöht. Doch der Spätzünder wird sicher sein Kämpfernaturell zeigen und seinen Platz nicht einfach hergeben. In der Nationalmannschaft wird es für Steffen ebenfalls schwer, zum Einsatz zu kommen. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Stocker oder Mehmedi scheint dafür sein Körper trotz der physischen Spielart keine Probleme zu machen. So könnte er allenfalls zum Nutzniesser in der SFV-Auswahl werden.
Im Blickfeld:
Marvin Spielmann (22)
In der vergangenen Saison konnte sich der Oltner im Dienste des FC Thun 13 Treffer und drei Assists notieren lassen. Nicht weiter verwunderlich, dass mehrere renommierte Vereine Interesse gezeigt haben. Irgendeinen Wechsel wird Spielmann nach dem unglücklichen Intermezzo beim FC Wil hoffentlich nicht anstreben. Mit seiner feinen Technik und Dynamik ist der Instinktfussballer ein interessanter Mann für Petkovic. Vom Talent her bringt Spielmann eigentlich alles mit, was es für die Landesauswahl braucht.
Christian Fassnacht (24)
Einst beim FCZ aussortiert, landete Fassnacht 2016 über Umwege beim FC Thun. Im Berner Oberland traf der schnelle und polyvalente Modefreak in 35 Spielen zehn Mal und lieferte gleich noch sechs Vorlagen. Auch nach dem Wechsel zu Kantonsrivale YB skorte er im gleichen Stil weiter. Die Bilanz: In 24 Spielen elf Tore und acht Assists. YB's scheidender Trainer Adi Hütter wollte den Thalwiler gleich in die Bundesliga mitnehmen. Noch hat der Berner Sportchef Spycher den Verlockungen widerstanden. Egal wohin der Weg von Fassnacht führt: Es wäre nach seinem kometenhaften Aufstieg keine grosse Überraschung, falls in naher Zukunft auch ein SFV-Aufgebot erfolgt.
Fabian Rohner (19)
Der beim FCZ ausgebildete Rohner fällt nicht nur wegen seines ungewöhlichen Kopfschutzes auf. Auf dem Spielfeld ragt der Mann mit dem Rugby-Helm vor allem mit seinem unglaublichen Speed heraus, mit dem er regelmässig den gegnerischen Abwehrreihen davonsprintet. Weitere Stärken sind die Vielseitigkeit und der Offensivdrang. Sein ehemaliger Jugendtrainer Ludovic Magnin wird seinen Rohdiamanten sicher weiterhin gezielt aufbauen und fördern. Falls sich Rohner beim FCZ durchsetzt, sind seine Skills hoffentlich auch in der Nati gefragt.
Kevin Bua (24)
Auch beim FC Zürich startete Kevin Bua durch. Der Genfer durchlief bei Servette die Jugendauswahlen, bevor er 2015 dem Lockruf des FCZ erlag. Nachdem er bei Urs Meier noch auf der Bank sass, startete Bua unter Sami Hyypiä durch und wirbelte auf der rechten Seite rauf und runter. Der FCB schnappte kurz darauf den Zürchern das Talent weg. Beim FCB kam Bua dann aber nicht mehr so richtig zum Zug, obwohl er bei seinen Einsätzen meist ordentlich spielte. Der Abgang Mohamed Elyounoussi könnte Bua zu mehr Spielzeit verhelfen. Vom Talent her ist er eigentlich zu gut für die Ersatzbank. Im besten Fall sehen wir den schnellen und trickreichen Bua sogar im rot-weissen Trikot.
Fazit:
An der WM waren Shaqiri und Zuber gesetzt. Typische Aussenspieler sind aber beide nicht, was gegen kompakt stehende Gegner eine interessante Option sein kann. Mehmedi, Stocker und Steffen verfügen zwar über einige Erfahrung, die schnellsten Flügelflitzer sind sie aber nicht (mehr). Dafür haben sie alle unterschiedliche Stärken, die sie ins Team einbringen können. Dahinter warten mit Spielmann, Fassnacht, Rohner und Bua ähnliche, aber sehr interessante Spielertypen. Alle sind überdurchschnittlich schnell, trickreich und vielseitig einsetzbar. In Zukunft könnte das Spiel über die Flügel also etwas dynamischer werden.
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