Interview Fringer: «Zakaria, Embolo und Drmic gehören in die Startelf»

Jan Arnet

12.6.2018

Rolf Fringer traut der Nati in Russland vieles zu.
Rolf Fringer traut der Nati in Russland vieles zu.
Keystone

Teleclub-Experte Rolf Fringer analysiert im Bluewin-Interview die Chancen der Schweizer an der WM. Der ehemalige Nati-Trainer verrät, auf welche Elf er setzen würde.

Rolf Fringer, schafft die Schweiz erstmals nach 1954 wieder den Einzug in den WM-Viertelfinal?

Warum nicht. Die Nati hat alles, um für Furore zu sorgen: Top-Entwicklung, toller Geist im Team. Fast alle spielen im Ausland und bringen viel Qualität mit. Diese Zusammenhänge sind optimal, um über sich hinauszuwachsen. Die Schweiz könnte dieses Jahr wieder mal weiter kommen als in den Achtelfinal. An einem guten Tag können wir jeden schlagen.

Auch Brasilien beim Startspiel?

Ja. 2010 hat es gegen Spanien auch geklappt. Die Brasilianer werden noch nicht eingespielt sein und sind vor dem ersten Spiel noch nicht unter Druck, weil sie denken, dass sie die Schweiz sowieso schlagen werden. Trotzdem dürfte die Euphorie bei einem allfälligen Erfolg über Brasilien nicht zu gross werden. Die Gruppe ist kein Selbstläufer.

Costa Rica und Serbien können auch Fussball spielen.

Die Serben sind unberechenbar gefährlich, gegen Costa Rica haben wir sicherlich mehr Vorteile. Es ist eine machbare Gruppe, aber wir brauchen drei gute Spiele, dann kommen wir weiter. Vielleicht sogar als Gruppenerster.

Was macht die Nati dieses Jahr so stark?

Es ist eine verschworene Einheit, die hungrig ist und sich in den letzten Jahren viel Selbstvertrauen erarbeitet hat. In der Verteidigung und im Mittelfeld hat die Nati auch grosse Fortschritte gemacht. Nur in der Offensive sehe ich noch Verbesserungspotenzial. Ein topfiter Embolo oder ein topfiter Drmic könnte das Problem aber lösen.

Im Testspiel gegen Spanien (1:1) konnte wohl schon erahnt werden, wer im ersten Spiel starten wird. Embolo und Drmic sassen da aber auf der Bank. Würden Sie die beiden gegen Brasilien aufstellen?

Auf jeden Fall. Embolo in der Sturmspitze und Drmic auf dem rechten Flügel.

Und Shaqiri?

Shaqiri sehe ich als hängende Spitze in einem 4-4-1-1-System. Zuber links. Aber Petkovic kennt sein Team gut genug, um zu wissen, wer gegen welchen Gegner am besten geeignet ist.

Embolo also ganz vorne. Was hat er, was Seferovic und Gavranovic nicht haben?

Tempo und Durchschlagskraft. Gavranovic hat in Kroatien seine Tore zwar geschossen, aber ihm fehlt das Läuferische. Ich sehe ihn mehr als Joker. Und Seferovic fehlt die Spielpraxis. Ich traue ihm zu, dass er die Tore macht, wenn er Chancen bekommt. Vielleicht wäre es für ihn manchmal aber auch besser, eingewechselt zu werden.

Gibt es in Ihrer Wunsch-Elf noch andere «Überraschungen»?

Die Defensive stellt sich eigentlich von selbst auf: Sommer, Rodriguez, Schär, Akanji, Lichtsteiner. Aber im Zentrum würde ich neben Xhaka auf Zakaria setzen.

Nicht auf Krieger Behrami?

Nein. Zakaria ist offensiv unbelasteter und frecher. Behrami lässt sich oft fallen, verschleppt damit das Tempo. Natürlich bringt er viel Routine mit, aber er ist nicht einer, der Druck von hinten aufbaut. Auch gegen Brasilien würde ich Zakaria bringen. Auch er ist defensiv solid, traut sich offensiv aber einfach mehr zu als Behrami.

Haben Sie so kurz vor dem Turnier sonst noch einen Rat an Vladimir Petkovic?

Nein. Petkovic weiss, wie er die Mannschaft einstellen muss. Die Entwicklung seit der letzten WM ist beispiellos, da kann man ihm nur gratulieren. Das funktioniert zwischen Trainer und Mannschaft.

Sie waren zwischen 1996 und 1997 selber Nati-Trainer. Zu dieser Zeit war allein das Erreichen einer WM für die Schweiz etwas Grossartiges. 2018 erwarten eigentlich alle zumindest das Erreichen der K.o.-Runde. Was hat sich im Schweizer Fussball in den letzten Jahrzehnten verändert?

In den letzten 10 bis 20 Jahren schafften immer mehr Schweizer den Sprung ins Ausland. Nie zuvor hatten wir in der Nati so viele Spieler in guten Vereinen. Zu meiner Zeit waren es noch etwa zwei oder drei, die in einer Top-Liga spielten. Unsere WM-Fahrer haben allesamt internationale Qualität, das macht am Ende den Unterschied. Je mehr Spieler in einer guten Liga spielen, desto höher wird auch die Qualität. Beispiel Stephan Lichtsteiner: 7 Jahre Juve, 14 Titel. Früher war so eine Karriere als Schweizer undenkbar.

Sie sagen, die Schweiz kann jeden schlagen. Kann sie sogar Weltmeister werden?

Das ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Ich habe mehrere Titel-Favoriten. Brasilien will sich nach der Schmach im eigenen Land unbedingt rehabilitieren. Deutschland ist natürlich auch immer gefährlich, es ist jedoch auch schwierig, den Titel zu verteidigen. Auch Argentinien ist trotz der schwachen Quali einiges zuzutrauen, Messi hätte sich den Titel sicherlich verdient. Auch Spanien und Frankreich haben Chancen.

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