Denis Zakaria oder Djibril Sow? Oder sogar ein Mister X? Die Schweiz muss am Freitag in St. Petersburg im EM-Viertelfinal gegen Spanien den gesperrten Captain Granit Xhaka ersetzen.
Nationalcoach Vladimir Petkovic hat vor dem Duell gegen Spanien eine Frage zu beantworten, die sich ihm höchst selten stellt. Denn sein gesperrter Captain Granit Xhaka fehlt sonst eigentlich nie. 98 Länderspiele hat Xhaka absolviert. In 93 davon hat er in der Startformation gestanden. In einem Pflichtspiel war Xhaka letztmals vor rund fünf Jahren gegen Ungarn in der WM-Qualifikation 2018 abwesend. An Endrunden hat Xhaka in der Ära Petkovic keine von bisher insgesamt 1140 Minuten verpasst.
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In Ungarn vor fünf Jahren hat die Schweiz ohne Xhaka 3:2 gewonnen. Sie hatte dies auch zwei Jahre zuvor in der EM-Qualifikation 2016 ohne ihn im Heimspiel gegen Litauen getan. Doch für die Gegenwart hat das Spiel in der EM-Qualifikation vor zwei Jahren in Basel gegen Dänemark vielleicht mehr Aussagekraft. Da führte die Schweiz 3:0, ehe sie in der Schlussphase nach der Auswechslung von Xhaka drei Gegentore kassierte. Anders als damals kann Petkovic diesmal die Mannschaft aber drei Tage lang darauf vorbereiten, dass sie ohne ihren wichtigsten Spieler auskommen muss.
Petkovic hat eigentlich mehrere Alternativen zur Hand. Denis Zakaria und Djibril Sow sind die ersten Anwärter. Von der Position her wäre auch Edimilson Fernandes denkbar, aber auf ihn hat Petkovic eigentlich noch nie gesetzt, schon gar nicht im Zentrum des Mittelfelds. An der EM hat Fernandes noch keine Minute gespielt. Oder erinnert sich Petkovic daran, dass der in der Innenverteidigung zum Reservisten degradierte Fabian Schär zu Beginn seiner Karriere im defensiven Mittelfeld gespielt hat? Eine solche Lösung ist mehr als unwahrscheinlich.
Es fehlt ein Xhaka-Klon
Die Wahl von Petkovic wird also auf einen der beiden Bundesliga-Professionals Zakaria oder Sow fallen. Allerdings ist ihr Beitrag an dieser EM bisher überschaubar. Zakaria stand gegen Wales 24 Minuten im Einsatz, Sow spielte gegen Italien 6 Minuten. Das Problem ist aber vor allem, dass beide in ihrem Spielstil Xhaka so überhaupt nicht ähneln. Sie sind eher die sogenannten Box-to-Box-Spieler, sind also dynamisch zwischen den Strafräumen unterwegs, während Xhaka der Mastermind und das Metronom im Zentrum des Schweizer Spiels ist.
Die Sperre von Xhaka trifft die Schweiz genau auf der Position, auf der von den spielerischen Anlagen her keine Nummer 2 existiert. Ganz zu schweigen von den Leader-Qualitäten des unbestrittenen Anführers der Mannschaft. Oder wie es Torhüter Yann Sommer vor der EM gesagt hat: «Granit ist unser Herz auf dem Platz.» Er ist auch das Hirn der Mannschaft, könnte man ergänzen. Ohne Xhaka wird Petkovic den Stil anpassen und vielleicht auch das System modifizieren müssen.
Und doch ist Optimismus angebracht. Diese SFV-Auswahl kann die Absenz Xhakas über Leidenschaft und Charakter kompensieren. Petkovic hat es in den letzten drei Jahren geschafft, das Kader breiter zu machen. Nicht nur spielerisch, auch emotional. Mehr Spieler als noch in der Zeit bis zur WM 2018 können sich als wichtigen Teil des Projekts fühlen. Es stimmt, dass auch heute die Stammplätze mehrheitlich vergeben sind. Neun bis zehn Spieler sind im Normalfall gesetzt. Aber es ist kein Zufall, dass die Schweiz gegen Frankreich die Verlängerung mit sechs Ersatzspielern bestritt und vier von fünf Penaltyschützen von der Bank kamen.
Ersatzspieler mit Einfluss
Seit dem Umbruch vor drei Jahren hat Petkovic 16 Schweizern das Debüt ermöglicht. Er hat bisher an dieser EM 20 Spieler eingesetzt. Nicht jeder Personalentscheid war richtig und entscheidend. Aber gegen Frankreich waren die sechs Ersatzleute mehr als nur brave Statthalter ihrer Vorgänger. Kevin Mbabu schlug die Flanke vor dem Anschlusstor zum 2:3, Mario Gavranovic traf zum 3:3, und Christian Fassnacht erkämpfte vor beiden Treffern im Mittelfeld den Ball. Fabian Schär übernahm in der Verlängerung die Chefrolle im Abwehrzentrum, und Ruben Vargas sowie Admir Mehmedi schossen die zwei heikelsten der fünf Penaltys – die letzten beiden.
Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami strich nach dem Achtelfinal-Coup den Wert der Einwechselspieler hervor. «Man hat gelesen, dass Italien dank einer breiten Bank den Achtelfinal gegen Österreich gewonnen hat. Wir haben bewiesen, dass wir auch über ein breites Kader verfügen.» Tami sprach davon, dass es dabei nicht nur um die Qualität, sondern auch um die Mentalität gehe. «Wer reinkommt, muss den Willen zeigen, etwas zu bewegen, spüren, dass sein Moment gekommen ist.»
Solches gilt für einen Joker im Verlaufe eines Spiels, aber auch für denjenigen, der gegen Spanien Xhaka von Beginn weg ersetzt. Dass dies mit Erfolg möglich ist, bewies Tami vor zehn Jahren als Trainer der U21-Nationalmannschaft. An der EM-Endrunde 2011 fehlte Xhaka im Halbfinal gegen Tschechien – und die Schweiz zog trotzdem in den Final ein.