Für Belgien endet der Traum vom EM-Coup wie 2016 bereits in den Viertelfinals. Der goldenen Generation der «Roten Teufel» läuft langsam aber sich die Zeit davon.
Die Enttäuschung sass tief am späten Freitagabend in der Arena in München. Einmal mehr verabschiedete sich Belgien aus einem Turnier, zu dem es als Mitfavorit angetreten war. Italien erwies sich als zu stark für den WM-Dritten von 2018 und die Nummer 1 der Weltrangliste, für die aber mehr möglich gewesen wäre. In der zweiten Halbzeit standen die Belgier dem Ausgleich mehrmals nahe.
«Die Spieler haben nichts falsch gemacht», sagte Trainer Roberto Martinez. «Im Gegenteil: Sie haben alles getan, was sie konnten, um uns so weit wie möglich zu bringen.» Seit 2016 und nach dem fatalen Aus im EM-Viertelfinal gegen den Underdog Wales steht der Spanier in der Verantwortung. Doch auch unter Martinez gelang trotz vorzüglicher Resultate der grosse Coup noch nicht.
Etliche Verletzungsprobleme
«Leb wohl, Belgiens goldene Generation, die vielleicht schon zum Scheitern verdammt war, als man ihr den Namen aufgebürdet hatte», schrieb der englische «Guardian». Das neuerliche Scheitern kam nicht ohne Ansage. Zwar hatten die Belgier die Vorrunde mit drei Siegen abgeschlossen und im Achtelfinal Portugal eliminiert, doch bereits beim glückhaften 1:0 gegen den Titelverteidiger zeigte sich, dass die Mannschaft im Gegensatz zur WM 2018 mit Ausnahme des vierfachen Torschützen Romelu Lukaku nicht in Top-Verfassung ist.
Ein Grund dafür waren die Verletzungsprobleme. Sinnbildlich dafür stand Nacer Chadli, der gegen Italien in der 69. Minute das Feld betrat und dieses vier Minuten später wieder verlassen musste – nach 370 gelaufenen Metern und drei Ballkontakten. Es war die schnellste Auswechslung eines Ersatzspielers in der Geschichte der EM.
Wesentlich entscheidender als Chadlis Verletzung waren aber die körperlichen Probleme von Captain Eden Hazard, Axel Witsel und Kevin de Bruyne, die alle drei angeschlagen ins Turnier starteten und zum Auftakt gegen Russland mit Ausnahme eines Kurzeinsatzes von Hazard fehlten. Während Hazard den Viertelfinal gegen Italien wegen einer Oberschenkelverletzung verpasste, war bei Witsel der fehlende Rhythmus nach einer halbjährigen Pause spürbar. Und auch De Bruyne war nicht im Vollbesitz seiner Kräfte.
Verrückte Wochen für Kevin de Bruyne
Dennoch spielte der offensive Mittelfeldspieler von Manchester City ein gutes Turnier. Kein Spieler bereitete an dieser EM bislang mehr Torchancen vor als De Bruyne (13), obwohl dieser faktisch nur drei komplette Partien bestritt. Nach seiner Einwechslung zur Pause im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark (2:1) sorgte er für die Wende, ehe er sich im Achtelfinal nach einem überharten Tackling des Portugiesen João Palhinha erneut verletzte, diesmal am Knöchel.
Für ihn persönlich seien es vier oder fünf Wochen verrückte Wochen gewesen, sagte De Bruyne, der sich beim medizinischen Personal bedankte. «Die Leute werden enttäuscht sein und uns kritisieren. Aber die Fans haben gesehen, dass wir alles gegeben haben. Wir werden es beim nächsten Mal wieder versuchen.» Bereits in 16 Monaten beginnt die WM in Katar, auch dann sind De Bruyne, Eden Hazard (beide 30) und Lukaku (28) noch immer im besten Alter.
Dass Talente nachstossen, bewies am Freitag der 19-jährige Jérémy Doku. Dem Ersatz für Eden Hazard gelangen acht erfolgreiche Dribblings, soviel wie noch keinem Teenager zuvor in einer EM-Partie. Zudem holte der Stürmer von Stade Rennes kurz vor der Pause den Penalty heraus, der zum Anschlusstreffer von Lukaku führte. Handlungsbedarf besteht dafür in der Defensive. Die Abwehr um den Rekord-Internationalen Jan Vertonghen (34), Thomas Vermaelen (35) und Toby Alderweireld (32) ist endgültig in die Jahre gekommen.