Petkovic richtet sich ans Schweizer Volk Petkovic richtet sich ans Schweizer Volk: «Wir haben auch Gefühle, wir sind genauso verletzlich»

jar

19.6.2021

Vladimir Petkovic fordert von den Schweizerinnen und Schweizern wieder mehr Unterstützung.
Vladimir Petkovic fordert von den Schweizerinnen und Schweizern wieder mehr Unterstützung.
Bild: Getty

Nati-Trainer Vladimir Petkovic richtet sich in einem offenen Brief ans Schweizer Volk, entschuldigt sich für die enttäuschende Leistung gegen Italien und fordert die Fans auf, jetzt hinter der Mannschaft zu stehen.

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19.6.2021

«Am Schluss blieb nichts als Enttäuschung», schreibt Vladimir Petkovic in seinem offenen Brief in der «Schweiz am Wochenende» über das bittere 0:3 der Schweizer Nati gegen Italien. «Das tut uns von Herzen leid.»

Im Vorfeld des Spiels habe man viel gelesen, gehört und diskutiert über dieses und jenes, was die Nati falsch mache. «Als Trainer und Spieler der Nati stehen wir in der Pflicht und unter besonderer Beobachtung. Nicht immer erfüllen wir, was Ihr von uns erwartet», so Petkovic ehrlich. Aber: «Ich kann Euch versichern, dass wir den Fokus immer aufs Spiel gerichtet haben. Ich kann Euch garantieren, dass wir uns minutiös, mit Fleiss und Konzentration auf jeden Match vorbereiten.»

Am Sonntag sei ein neuer Tag. Gegen die Türkei habe man nun noch einmal die Chance, sich für den Achtelfinal zu qualifizieren. «In diesem Spiel der letzten Chance müssen wir neben der richtigen taktischen Ausrichtung nun auch wieder alle unsere Werte und Tugenden auf den Platz bringen: Solidarität, Identifikation, Freude und Respekt», meint der Coach. «Dann können wir es schaffen.»



Petkovic appelliert an die Schweizerinnen und Schweizer, jetzt hinter dem Team zu stehen. «Fussballspieler und Trainer haben Gefühle, Sorgen, Ängste und Freuden wie alle anderen. Wir sind genauso verletzlich», schreibt er. «Deshalb brauchen wir vor diesem entscheidenden Spiel die Unterstützung von Euch allen. Eure Solidarität. Eure Positivität.»

Die Nati würde alles dafür tun, «dass wir uns am Sonntagabend alle gemeinsam freuen können», so Petkovic. «Dass wir zusammen stolz sein können. Auf unsere Nati und auf unsere Schweiz!»

Der offene Brief des Nati-Trainers im Wortlaut:

Liebe Schweizerinnen und Schweizer

Wir wollten Euch eine magische Nacht schenken. Euch stolz machen auf uns und auf unsere Schweiz. Wir wollten Euch nach den vielen Entbehrungen der langen Zeit der Pandemie glücklich machen mit einem Sieg gegen Italien. So vieles hatten wir uns dafür vorgenommen. Zu viel vielleicht. Und am Schluss blieb nichts als Enttäuschung. Für Euch, für uns und für viertausend Schweizerinnen und Schweizer, die nach Rom gereist sind. Das tut uns von Herzen leid.

Seit dem 26. Mai, dem ersten Tag der Vorbereitungen, leben wir nun schon zusammen. In Hotels zwischen Zimmer, Esssaal und Fussballplatz. Dabei verfolgen wir alle ein einziges Ziel: Spiele für Euch und für die Schweiz zu gewinnen. Andere Nationalmannschaften zu besiegen. Alle wollen wir dabei das Beste geben. Jede Minute und jede Sekunde.

Im Vorfeld des letzten Spiels habt Ihr viel gelesen, gehört und diskutiert über dieses und jenes, was wir falsch machen. Als Trainer und Spieler der Nati stehen wir in der Pflicht und unter besonderer Beobachtung. Nicht immer erfüllen wir, was Ihr von uns erwartet. Wir sind Menschen, die versuchen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, was uns aber leider nicht immer gelingt.

Wir sind wie eine grosse Familie, in der es kracht, in der es Verfehlungen gibt, die wir dann zusammen besprechen und klären, um uns wieder umarmen und gemeinsam unsere hochgesteckten Ziele erreichen zu können.

Ich kann Euch versichern, dass wir den Fokus immer aufs Spiel gerichtet haben. Ich kann Euch garantieren, dass wir uns minutiös, mit Fleiss und Konzentration auf jeden Match vorbereiten.

Morgen ist ein neuer Tag. Gegen die Türkei haben wir nun noch einmal die Chance, uns für den Achtelfinal zu qualifizieren. Gegen Italien ist es mir nicht gelungen, unsere Nati so einzustellen, dass wir die starken Italiener hätten besiegen können. In diesem Spiel der letzten Chance müssen wir neben der richtigen taktischen Ausrichtung nun auch wieder alle unsere Werte und Tugenden auf den Platz bringen: Solidarität, Identifikation, Freude und Respekt. Dann können wir es schaffen.

Gestern ist Yann Sommer von seiner kurzen Reise nach Hause zu uns zurückgekehrt. Als frischgebackener Vater von Töchterchen Nayla. Das war ein wunderschöner Moment für uns alle. Fussballspieler und Trainer haben Gefühle, Sorgen, Ängste und Freuden wie alle anderen. Wir sind genauso verletzlich.

Und deshalb brauchen wir vor diesem entscheidenden Spiel die Unterstützung von Euch allen. Eure Solidarität. Eure Positivität. Wir werden alles dafür tun, dass wir uns am Sonntagabend alle gemeinsam freuen können. Dass wir zusammen stolz sein können. Auf unsere Nati und auf unsere Schweiz!

Herzlich, Euer Vladimir Petkovic

«Mit diesem Auftritt bettelt die Nati förmlich darum, dass man auf sie einprügelt»

«Mit diesem Auftritt bettelt die Nati förmlich darum, dass man auf sie einprügelt»

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