In St. Gallen geprüftWM-Ball «Telstar 18»: Das runde «Leder» ist heute aus Kunststoff
SDA
5.6.2018 - 15:43
Eine Maschine schiesst ihn 2000 Mal an die Wand, er wird gewogen, vermessen und im Wasserbecken gequetscht – der Ball für die Fussball-WM in Russland hat zahlreiche Tests bestanden. Geprüft wurden die Bälle an der Empa in St. Gallen.
«Pffff-tu-tong, pffff-tu-tong» – tönt die Maschine im Keller der Materialprüfungsanstalt Empa. Im Zweisekunden-Takt fliegen Fussbälle mit 50 km/h an eine Metallwand, werden in einem trichterförmigen Käfig aufgefangen und wieder zur Abschussrampe befördert. Laura Knezevic, Lernende bei der Empa, überwacht den Vorgang.
Rund 2000 Mal wird der Ball in einem Fussballspiel getreten – genau dies wird in der Schussanlage simuliert. Die Bälle dürfen sich dabei im Umfang und in ihrer Form nicht verändern. Schliesslich wollen Ballzauberer wie Ronaldo während 90 Minuten möglichst gleichbleibende Spielbedingungen.
«Telstar 18»
Um dies zu garantieren, liess der Weltfussball-Verband FIFA den offiziellen Ball für die WM in Russland eingehend prüfen. Zuständig für diese Tests ist seit 22 Jahren die Schweizer Empa. «Telstar 18», wie der knapp 450 Gramm schwere WM-Ball aus geschweisstem Kunststoff heisst, hat das Okay der Fachleute in St. Gallen erhalten.
«Im Normallfall erhalten wir zehn Testbälle», sagt Martin Camenzind vom zuständigen Empa-Labor. Die Prüfung des runden «Leders» für die Fussball-WM in Russland begann vor mehr als einem Jahr. Untersucht wurde die Beständigkeit des Ball beim Schiessen, das Aufspringen aus zwei Metern Höhe und die Wasserfestigkeit.
Nicht jeder Ball besteht Test
Längst nicht jeder Ball bestehe die Probe, erklärt Camenzind. Früher seien mehr Bälle durchgefallen, heute sei die Qualität sehr konstant. Die Empa in St. Gallen testet jedes Jahr rund 100 verschiedene Typen. Der Ball für die Fussball-WM in Russland hat das höchste Gütesiegel «Quality Pro» der FIFA.
Beim Falltest legt Laura Knezevic den Ball auf einen Metallring mit orangefarbenen Lämpchen. Der Ring fährt mit einem Surren in die Höhe und lässt den Ball aus zwei Metern im freien Fall auf einen «Amboss» prallen. Von dort springt er vor einer Skala wieder hoch und wird von der Lernenden aufgefangen.
Der Vorgang wird mit Kameras gefilmt und danach ausgewertet. Ein guter Ball verhält sich beim Aufspringen konstant. Abweichungen von mehr als 1,5 Prozent werden nicht toleriert. Nachher kommt der «Telstar 18» in eine Wasserpfanne: Dort wird er festgeklemmt und maschinell 250 Mal gequetscht. Im Gegensatz zu traditionellen Bällen aus Leder saugen die heutigen Kunststoffbälle kaum mehr Wasser auf.
Flatterhaft
Torhüter verschiedener WM-Teams, die den «Telstar 18» getestet haben, kritisierten dessen flatterhaftes Flugverhalten. «Hier kommt auch die Optik ins Spiel», sagt der Ingenieur Camenzind. Der aus unregelmässigen Elementen zusammengesetzte und asymmetrisch bedruckte Ball könne im Flug den Torhüter irritieren. Ein flatterndes Flugverhalten habe sich aber im Versuch mit einem computergesteuerten Fuss nicht bestätigt.
Die Flugbahn eines Fussballs sei eine komplexe und mitunter chaotische Angelegenheit, erklärt der Empa-Wissenschaftler. Der Ball verformt sich, wenn ihn der Spieler mit dem Fuss tritt, was zu einer etwas wabbeligen Flugbewegung führen kann. Gute Fussballer machen sich diesen Effekt zu Nutzen, nach dem Motto «bend it like Beckham».
Der nüchterne Wissenschaftler sieht darin nicht Zauberkunst, sondern «akkurat angewandte Physik». Und die müsse gut einstudiert sein. In der Kürze des Schusses müsse die Physik von Fuss und Ball perfekt sitzen. Bälle von gleichbleibender Qualität tragen dazu bei, dass dies gelingt.
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