Die Schweiz an der EM-Endrunde: Bisher wollte das nicht so richtig passen. Ein Rückblick.
Pleiten, weil die Schweiz mehr als die Hälfte ihrer EM-Spiele verlor (sieben von 13). Pech, weil sie 2016 in Frankreich wegen eines einzigen verschossenen Penaltys die Viertelfinals verpasste. Pannen, weil ... aber lesen Sie selbst:
1996: Der Jorge-Wahnsinn
Vor einem Vierteljahrhundert nahm die Schweiz erstmals an einer EM teil. Die Euphorie im Land war riesig. Das Team um Alain Sutter und Adrian Knup hatte zwei Jahre zuvor an der WM in den USA begeistert. Alain Sutter und Adrian Knup? Sie durften nicht an die EM mitreisen. Roy Hodgsons Nachfolger Artur Jorge hatte sie im letzten Moment aus dem Kader gestrichen. Der Volkszorn glühte, der «Blick» macht Stimmung gegen Jorge («Der Jorge-Wahnsinn», «Jetzt spinnt er»). Tiefpunkt der aufgeladenen Ambiance waren Ausschreitungen am Rande eines Testspiels in Basel gegen Tschechien. Die Mischung aus schlechtem Karma und fehlender Qualität im Team führte zum letzten Platz in der Vorrunden-Gruppe mit England, Niederlande und Schottland.
2004: Der ver(w)irrte Verband
Acht Jahre nach dem Debakel von England qualifizierte sich die Schweiz wieder für eine EM. Der Nationalheilige Köbi Kuhn als Trainer und der Stürmer Alex Frei mit fünf Toren in der Qualifikation machten es möglich. An der EM lief es Frei aber nicht mehr wie geschmiert. Den einzigen Treffer landete er, als er im zweiten Spiel dem Engländer Steven Gerrard in den Nacken spuckte. Rund 24 Stunden lang hatte es keiner mitbekommen. Dann tauchten, auch mithilfe von SRF, TV-Bilder auf, die Frei entlarvten. Und mit ihm die Spitze des SFV. Diese hatte sich um Kopf und Kragen gelogen und den Spieler angeblich zur Falschaussage ermuntert. Das kreativste Argument der Verteidigung: Frei habe nicht gespuckt, sondern zu Gerrard bloss mit feuchter Aussprache «putain» («Hure») gesagt.
2008: Der verletzte Frei
An der Heim-EM sollte der grosse Wurf gelingen. Erstmals seit über einem halben Jahrhundert in einen Viertelfinal! Oder noch weiter? Kuhn hatte ein Papier in der Schublade liegen, auf dem der Weg zum EM-Titel skizziert war. Es kam anders, ganz anders. Die Vorbereitung verlief nicht gut. Erst gab Marco Streller seinen Rücktritt bekannt, den er wenige Tage später widerrief, dann sorgte sich die Schweiz um Kuhn, weil dessen Ehefrau Alice wegen eines epileptischen Anfalls hospitalisiert wurde. Es kam die Endrunde und mit ihr der strömende Regen – und die Knieverletzung von Alex Frei. Noch vor der Pause des ersten Spiels war die EM für den Schweizer Hoffnungsträger zu Ende. Die Schweiz verlor die ersten beiden Spiele und schied so früh aus wie kein Gastgeber zuvor. Da hörte auch der Himmel nicht mehr auf zu weinen.
2016: Die zerrissenen Shirts
An das letzte Gruppenspiel gegen Gastgeber Frankreich erinnert sich kaum jemand. Zumindest nicht an das Sportliche. Zur Erinnerung: Das Spiel endete 0:0. Beide Teams waren weiter, die letzten 20 Minuten waren ein zähes Warten auf den Schlusspfiff. Aber so richtig langweilig war es trotzdem nicht. Denn die roten Schweizer Trikots wiesen offenkundig einen Fabrikationsfehler auf. Ein Zupfen eines Franzosen hier, ein Halten dort – ein Schweizer nach dem anderen stand in Lille in zerfetztem Trikot da. In Zeiten von Social Media entlud sich ein Twitter-Gewitter über dem Hersteller Puma, der virtuelle Sauglattismus hatte Hochkonjunktur. Bei den Schweizern nahm man es mit Humor. Xherdan Shaqiri sagte: «Zum Glück stellt Puma keine Kondome her.»
SDA