Nachruf Adios und Gracias für den «menschlichsten aller Götter»

Von Nicolas Barman

27.11.2020

Porträt des argentinischen Fussballspielers Diego Maradona von 1983.
Porträt des argentinischen Fussballspielers Diego Maradona von 1983.
Bild: Getty

Der Schock ist heftig und die Traurigkeit sitzt tief. Der Tod von Diego Armando Maradona hat Argentinien und die Welt des Fussballs in Aufruhr gebracht. Es fehlen die Worte, um sich ein letztes Mal zu verabschieden. Seine Geschichte hat nie ein Ende gehabt. 

«Gordo (Anm.d.Red: spanischer Kosename für Dickerchen), Diego ist tot!» Am späten Mittwochnachmittag dreht dieser unwirkliche Satz aus dem Mund meiner Frau eine Schleife in meinem Kopf. Für ein paar Sekunden weiss ich nicht, was in sie gefahren ist, so etwas zu glauben ... Wie oft haben sie seinen Tod schon verkündet? Diego schaffte es immer wieder aufzustehen. Auch Hunderte üble Tacklings konnten ihm nichts anhaben, und die Bahre wird ihn auch heute nicht für immer vom Spielfeld nehmen. «Doch Gordo, Diego ist wirklich gestorben.»

Über den Autor
Bild: blue News

Nicolas Barman ist Redaktionsleiter unserer Kollegen in der Romandie – und leidenschaftlicher Maradona-Fan. Seine Frau ist Argentinierin.

Dieser traurige, bestimmte Ton lässt meine Blindheit plötzlich verschwinden. Die Realität holt mich ein. Mein Idol ist weg. Meine Beine sind abgeschnitten. Eine tiefe Leere herrscht. Da ich das Glück hatte, in Argentinien zu leben, kann ich mir die Bestürzung dort vorstellen. Von Mexiko über Neapel bis Buenos Aires sammelten sich die Emotionen, die mir dieses Fussballgenie vermittelt hat, in meinem Herzen.

Von den Plakaten in meinem Kindheitsschlafzimmer bis zu meinem ersten «Buitoni»-Trikot mit der Nummer 10 bis hin zu dieser unerwarteten Gelegenheit, ihn zu treffen und ein paar Worte zu sagen. Für ihn waren sie nicht bedeutsam – für mich aber waren sie heilig.

Es kommt alles an die Oberfläche. Es heisst, die Liebe treibt einen in den Wahnsinn. So ist es auch mit der Leidenschaft. Was ist dann mit seinem Privatleben, könnte man fragen? Ich bin nicht hier, um das zu beurteilen. Wer bin ich, um mir ein Urteil darüber anzumassen. Wer sind wir, dass wir das tun? Am Ende geht das nur ihn etwas an. Warum sollte ich mich mit dem Leben von «D10S» beschäftigen, anstatt darüber nachzudenken, was er mir gebracht hat? Für mich gilt: Wer Fussball liebt, liebt Diego. Es ist unzertrennlich.

Was den Rest betrifft: «Ich habe Fehler gemacht, und ich habe dafür bezahlt, aber der Ball wird nicht schmutzig», erklärte Maradona einst in seiner Heimstätte Bombonera. Und wie Eduardo Galeano so gut beschrieb, machen Diegos Genie und seine dunkle Seite ihn «zum menschlichsten aller Götter».

«Pelusa» hat uns nun ein unauslöschliches Vermächtnis hinterlassen. Seine unberechenbaren Geniestreiche, seine verrückten Dribblings, seine Hingabe und Liebe zum Trikot haben das Wesen des Fussballs verstärkt. Eine Lektion für die Jugendlichen von heute, die nie vergessen sollten, dass der Sport auf Emotionen, Freude, Spass und Vergnügen beruht. Ohne dass dabei vergessen geht, was im Leben alles möglich ist.

Apropos: Kennen Sie die Geschichte des kleinen Jungen aus dem Elendsviertel Villa Fiorito im Vorort von Buenos Aires, der für nicht viel bestimmt war und am Ende zum Zentrum des Universums wird?
Danke, dass du mir so viel Freude und Glück bereitet hast. Ruhe in Frieden, du Ausserirdischer, du hast es dir verdient! Adios und ... Viva Diego! 

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