Auf den bitteren Abstieg folgen hässliche Szenen. Die Schalke-Profis werden nach der Pleite in Bielefeld von enttäuschten Fans erwartet. Eier fliegen, Fäuste fliegen, Spieler rennen weg. Der Wiederaufbau wird hart.
Profis auf der Flucht vor aggressiven Fans, Polizei-Ermittlungen und eine erschütterte Klubführung: Das Ende einer Horrorsaison wurde für den abgestürzten FC Schalke 04 zu einem verstörenden Tiefpunkt. Nach dem vorzeitig besiegelten vierten Abstieg aus der Bundesliga muss der stolze Revierclub die Ereignisse einer bitteren Nacht verarbeiten und blickt einer höchst ungewissen Zukunft in der 2. Liga entgegen. Tieftraurig war das Team am frühen Mittwochmorgen vom 0:1 in Bielefeld zurückgekehrt, an der heimischen Arena wurden die Schalker mit Wut empfangen.
500 bis 600 Menschen warteten laut Polizei auf die Mannschaft, einige Spieler seien mit «massiven Aggressionen» konfrontiert worden. Eier flogen, mehrere Profis sollen getreten worden sein. Durch das Einschreiten der Beamten sei eine weitere Eskalation vermieden worden, hiess es. Kurz danach seien die Fans abgezogen und Strafverfahren eingeleitet worden.
Schalke-Profi äussert sich: «Das war pure Angst»
Ein Spieler, der anonym bleiben möchte, äussert sich bei «Sport 1» wie folgt zur Hetzjagd: «Uns wurde laut und deutlich mitgeteilt, dass wir uns schämen sollen und sich alle Spieler ab sofort verpissen sollen, die im nächsten Jahr nicht mehr hier sein werden. Passiert das nicht, würde uns das Leben richtig zur Hölle gemacht.»
Anschliessend seien die Spieler mit Eiern beworfen worden. «Danach ist ein Böller hochgegangen und die Situation eskalierte völlig. Die Fans sind auf uns losgegangen. Wir sind ab dann nur noch gerannt. Das war Angst, pure Angst! Ich bin nur noch gerannt. Einige von uns haben Tritte und Schläge abbekommen. Ich bin schockiert und weiss nicht, wie wir die nächsten Spiele noch bestreiten sollen.»
Laut «Bild» wurde auch Trainer Dimitrios Grammozis mit Eiern beworfen und sogar geschlagen, Co-Trainer Mike Büskens getreten. Das Auto von Mark Uth wurde komplett demoliert und auch Ralf Fährmann und Amine Harit sollen Faustschläge kassiert haben.
Der Klub äusserte zwar Verständnis für den Fan-Frust, verurteilte die Geschehnisse aber scharf: «Der Verein wird es niemals akzeptieren, wenn die körperliche Unversehrtheit seiner Spieler und Mitarbeiter gefährdet wird.»
Asamoah hinterfragt Wille der Mannschaft
Die Gewissheit, dass die Schalker nach einer Spielzeit voller Pleiten und Rückschläge das Oberhaus verlassen müssen, setzte den Königsblauen schwer zu. In Bielefeld verschwanden die Profis kommentarlos und mit gesenkten Köpfen in die Kabine. Nur Eigengewächs Timo Becker sass noch länger auf der Ersatzbank und weinte bitterlich.
Auch Team-Koordinator Gerald Asamoah wirkte mächtig angefasst. «Das Emblem von Schalke zu tragen bedeutet viel, und ob das alle Jungs verstanden haben, ist fraglich. Jeder sollte sich hinterfragen, ob er alles getan hat, um den Verein am Leben zu halten», sagte der Fan-Liebling dem TV-Sender Sky mit stockender Stimme.
Coach Dimitrios Grammozis – der fünfte glücklose Schalke-Coach in dieser Spielzeit – äusserte sich ähnlich: «Wir müssen einfach schauen, dass wir Jungs wieder gewinnen für diesen Verein, die auch das Emblem würdig tragen. Dass sie wissen, was Schalke ist. Worauf sie sich hier einlassen.» Auch in Bielefeld blieb seine Mannschaft über weite Strecken den Beweis der Bundesliga-Tauglichkeit schuldig. Immer wieder hatte der einstige Champions-League-Teilnehmer und Vizemeister von 2018 seine grosse Anhängerschaft in den vergangenen Monaten mit teils grotesken Darbietungen, Führungschaos und Finanzsorgen gequält.
«Aus diesem Team müssen ganz viele weg»
Für tätliche Angriffe auf die Mannschaft aber sei das keine Ausrede, darin waren sich die meisten am Mittwoch einig. Der frühere Schalke-Coach Peter Neururer nannte die Vorfälle «erschreckend». «Das hat mit Schalke 04 nichts zu tun», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Dass die Mannschaft «von irgendwelchen Leuten attackiert wird», sei die «Krönung des Ganzen».
Trauer über den Absturz des Vereins, der zuletzt 30 Jahre in der Bundesliga spielte, und konstruktive Gedanken zum Projekt Wiederaufbau des Schalker Trümmerhaufens rückten so am Mittwoch in den Hintergrund. Dass sich bei dem hoch verschuldeten Klub vieles wird ändern müssen, ist aber unbestritten. Die bisherige Bilanz der Königsblauen in dieser Saison ist schlicht verheerend: 30 Spiele, 2 Siege, 13 Punkte und ein Torverhältnis von 18:76.
So forderte etwa Vereinsikone Olaf Thon einen «radikalen Schnitt» in der Mannschaft. «Aus diesem Team müssen ganz viele weg, sonst kommen wir aus diesem Strudel nicht mehr heraus», sagte der Weltmeister von 1990 der dpa: «Diese Truppe ist blutleer, da ist nichts mehr rauszuholen.» Auch im gesamten Umfeld müsse der Verein «schnell eine Einheit werden, vom Aufsichtsrat und Vorstand über die Mannschaft, bis runter zum Busfahrer».