Nürnberg, HSV, Schalke, 1860 Der alte Fussball-Adel strebt nach neuem Ruhm

Von Franko Koitzsch und Thomas Prüfer, dpa

26.10.2021 - 12:14

Nach deprimierenden Jahren befindet sich der FC Schalke 04 durch vier Siege in Serie wieder im Aufschwung.
Nach deprimierenden Jahren befindet sich der FC Schalke 04 durch vier Siege in Serie wieder im Aufschwung.
Bild: Getty Images

Ihre letzten Bundesliga-Spiele liegen teils Jahre zurück, aber die Namen Nürnberg, HSV, Schalke und 1860 München erinnern an grosse Zeiten. Mit einigen Traditionsduellen kommt am Dienstagabend neben Spannung auch Wehmut in die zweite Runde des deutschen Pokals.

26.10.2021 - 12:14

Wer nicht mehr in der ersten Reihe steht, ist gierig, mal wieder die grosse Bühne zu betreten. Die Zweitligisten 1. FC Nürnberg, Hamburger SV und FC Schalke 04 sowie Drittligist 1860 München als schillernde Traditionsvereine des deutschen Fussballs dürfen am Dienstag in der zweiten Pokalrunde für Schlagzeilen sorgen. Und das auch noch gegeneinander.

Aufgrund der miesen Kassenlage wegen den zuletzt wenig rumreichen Jahren und durch die schmerzhaften Corona-Einschnitte ist die Geldspritze von 515'000 Euro für das Erreichen des Achtelfinales eine heiss begehrte Extra-Einnahme für Zweit- und Drittligisten. Denn die erhalten aus dem TV-Topf deutlich weniger Gelder als die Bundesliga-Vereine.

Rekordabsteiger gegen die Unaufsteigbaren

Die Duelle des einstigen Fussball-Adels untereinander sind mit den Begegnungen Nürnberg – HSV und 1860 – Schalke äusserst reizvoll. Das lässt die Fans von glorreichen Zeiten schwärmen. Insbesondere das Duell der Nürnberger (neunmal deutscher Meister, viermal Pokalsieger) mit den Hamburgern (sechsmal Meister, dreimal Pokalsieger) verspricht einiges. Zumal Nürnberg in der zweiten Liga als Vierter mit 21 Punkten drei Zähler und zwei Plätze vor dem HSV rangiert und Favorit ist. Ihre letzte von 64 Bundesliga-Begegnungen liegt derweil schon mehr als sieben Jahre zurück.

«Es passt zurzeit gut zusammen», sagt der ehemalige HSV-Trainer und jetziger Nürnberg-Sportvorstand Dieter Hecking gegenüber der «Bild». Seit dem neunten Gang in die Zweitklassigkeit hat sich der 1. FCN den zweifelhaften Ruhm verdient, Rekordabsteiger zu sein. In dieser Saison weisen die Zeichen aber in eine bessere Zukunft. Der «Club» ist das einzige Zweitligateam ohne Niederlage und verfügt bei lediglich sieben Gegentoren über ein Abwehrbollwerk.

«Wir haben wirklich Respekt vor ihnen», gesteht HSV-Sportvorstand Jonas Boldt denn auch. Für die Hamburger ist das Spiel in Nürnberg eine einmalige Gelegenheit, mal wieder für positive Schlagzeilen zu sorgen. Denn diese waren für die Norddeutschen in den letzten Jahren äusserst rar. Seit dem Bundesliga-Abstieg 2018 hat sich der HSV den wenig schmeichelhaften Ruf der Unaufsteigbaren erarbeitet, weil die Mannschaft Saison für Saison – trotz jeweils guter Ausgangslage vor der entscheidenden Endphase – noch immer eine Lösung gefunden hat, den Aufstieg in die Bundesliga in den Sand zu setzen.

Totale Euphorie bei schwer geprüften Schalkern

Im anderen Traditionsduell ist die Favoritenrolle klar verteilt. Schalke 04 als ranghöheres Team mit einem starken Lauf (vier Siege in Serie und 9:0 Tore) trifft auf den TSV 1860 mit Problemen. Der Drittligist nimmt als Remis-König (8) nur Platz 16 unmittelbar vor der Abstiegszone ein. Das Lieblingsresultat dieser Saison – siebenmal 1:1 – wird im Pokal aber nicht reichen.

Schalke, siebenmaliger Meister und fünfmaliger Pokalsieger, ist hungrig auf das Achtelfinale. «Es muss unser Anspruch sein weiterzukommen», sagt Trainer Dimitrios Grammozis. Im Wissen, dass man das momentane Hoch nach den vielen Tiefschlägen mit dem Tiefpunkt Bundesliga-Abstieg in diesem Frühling auf keinen Fall unterbrechen möchte.

Denn das schwer geprüfte Schalker Publikum ist enorm dankbar für diese kleine Siegesserie. Beim souveränen 3:0-Triumph gegen Dynamo Dresden am Samstagabend herrschte unter den 54'526 Fans auf Schalke fast schon eine Stimmung der totalen Euphorie.

1860 sitzt seit vier Jahren in der dritten Liga fest

Über enorm treue und zahlreiche Fans verfügt auch 1860. Und dies, obwohl die Münchner Löwen, deutscher Meister von 1966 und zweimaliger Pokalsieger, nun schon seit vier Jahren in der 3. Liga festsitzen und zuvor sogar für eine Saison in der viertklassigen Regionalliga Bayern verschwunden waren. Die letzten Festtage im Oberhaus des deutschen Vereinsfussballs liegen bereits 22 Jahre zurück.

Da käme ein Überraschungserfolg gegen Schalke gerade recht, um auch in der blassen Meisterschaft die Kurve zu kriegen und wieder auf die Siegesstrasse zu finden. Denn das eigentliche Saisonziel heisst nicht Ligaerhalt in der dritten Bundesliga, sondern Aufstieg in die zweite Bundesliga.

«Wir wollen Pokal-Geschichte schreiben. Über unser Heimpublikum und das Stadion können wir es schaffen», sagte Trainer Michael Köllner vor dem Duell gegen Schalke und beschreibt den Pokal als einen Wettbewerb, «in dem wir bundesweit auf uns aufmerksam machen können. Es ist anders als in der dritten Liga.»


Von Franko Koitzsch und Thomas Prüfer, dpa