«Trauerspiel» Attacke kurz vor Mitternacht: Hoeness lobt Löw und watscht DFB ab

dpa

26.3.2021

Uli Hoeness gibt am Donnerstagabend sein Debüt als RTL-Experte. Lange bleibt er verblüffend zahm. Erst als die Rede auf den DFB kommt, platzt es aus Hoeness heraus. 
Uli Hoeness gibt am Donnerstagabend sein Debüt als RTL-Experte. Lange bleibt er verblüffend zahm. Erst als die Rede auf den DFB kommt, platzt es aus Hoeness heraus. 
Bild: Keystone

Lange Zeit kommentiert Uli Hoeness in seiner neuen Rolle als TV-Experte unaufgeregt, diplomatisch – und fast schon zu zahm. Beim Thema DFB-Spitzenpersonal poltert er dann aber doch noch los.

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Erst als die Sprache auf das Führungschaos beim DFB kam, erwachte die altbekannte Abteilung Attacke in Uli Hoeness. Sechs Minuten lang schimpfte der langjährige Patron des FC Bayern München in seiner neuen Rolle als TV-Experte für den Privatsender RTL über die Spitze des Deutschen Fussball-Bundes und watschte den einen oder anderen prominenten Protagonisten mit deutlichen Worten ab. «Es kann nicht sein, dass das, was sich da im Moment abspielt, so weitergeht. Das ist ein Trauerspiel», polterte Hoeness am Donnerstagabend.



Der 3:0-Sieg der deutschen Fussball-Nationalmannschaft gegen Island zum Auftakt der WM-Qualifikation war da schon über eine halbe Stunde Geschichte. Geradezu sanftmütig hatte der 69-Jährige den ersten Auftritt der DFB-Elf seit dem 0:6 gegen Spanien analysiert und Bundestrainer Joachim Löw gepriesen. «So habe ich mir das vorgestellt. Ich bin total zufrieden, nicht nur vom Ergebnis her, sondern auch von der Art und Weise», flötete Hoeness. Er lobte die Aktion der Mannschaft, die sich vor dem Anpfiff mit der Aufschrift «Human Rights» (Menschenrechte) präsentiert hatte, mit der sie auch auf die Arbeitsbedingungen im WM-Gastgeberland Katar abgezielt hatte.


«Wir wollen ja die mündigen Spieler haben und es ist völlig berechtigt, so etwas zu machen.»


Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft senden eine klare Botschaft Richtung Katar.
Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft senden eine klare Botschaft Richtung Katar.
Bild: Keystone

«Wir wollen ja die mündigen Spieler haben und es ist völlig berechtigt, so etwas zu machen. Wenn sie darauf hinweisen, dass es dort Probleme gibt, kann es auch dazu führen, dass die Arbeitsbedingungen besser werden», kommentierte Hoeness, der im dunkelblauen Anzug und offenem weissen Hemdkragen mit einem schlichten «Guten Abend» in seine neue Rolle als Fachkraft des übertragenden Senders «RTL» gestartet war. So pompös und pathetisch die Vorstellung im Vorspann geriet («Eine Fussball-Legende zurück auf der grossen Bühne»), so entspannt und gelassen plauderte Hoeness lange Zeit.

Zwar nannte er Bayern-Ersatztorwart Nübel kurz Andreas statt Alexander oder warnte vor den Isländern, die «von der physischen Stärke her sehr stark» seien. Aber er kommentierte unaufgeregt, diplomatisch, schnörkellos – bis zur Eruption vor Mitternacht.

Hoeness wünschte dem nach der EM im Sommer aus dem Amt scheidenden Löw den Abschied, «den er verdient». Er referierte über «Reflexe in der Gesellschaft» nach Niederlagen, verteidigte das Hygienekonzept des DFB («Ich glaube, dass die Leute verstehen müssen, dass Fussball in dem Fall ein Beruf ist. Und wenn bei BMW oder bei Daimler-Benz ein Corona-Fall auftritt, geht auch nicht die ganze Belegschaft nach Hause.») und äusserte die Hoffnung, «dass wir eine gute EM spielen».

Hoeness rechnet mit dem DFB ab

Doch beim Stichwort EM und angesprochen auf die Zwistigkeiten in der Verbandsspitze, fing dann doch der Hoenesssche Oberkörper leicht an zu wippen und das rechte Knie dezent an zu zucken. Im Hintergrund blendete die Regie das Emblem des DFB ein, Hoeness verzog keine Miene und schaute weiter ernst-konzentriert, die Hände hatte er neben einem Blatt Papier auf dem Stehtisch abgelegt. Die frühe Abschiedsankündigung von Löw müsse auch dazu führen, dass der DFB «seine derzeitige Führungsstruktur überdenken muss», sagte er dann.


«Ich bin überzeugt, dass hier personelle Konsequenzen getroffen werden müssen, und zwar Veränderungen.»

Uli Hoeness


Hoeness nannte explizit das Verhältnis zwischen Generalsekretär Friedrich Curtius und Verbandschef Fritz Keller. Dieser sei als Präsident gewählt worden, im gleichen Atemzug habe «der Rest des Präsidiums die Kompetenzen eingeschränkt, damit sie weiterhin wurschteln können, wie sie wollen. Und das kann so nicht sein», führte Hoeness weiter aus. Und damit es auch wirklich jeder versteht, formulierte er unzweideutig: «Ich bin überzeugt, dass hier personelle Konsequenzen getroffen werden müssen, und zwar Veränderungen.»

Keller und Curtius hatten sich zuletzt nach wochenlangen Streitigkeiten darauf verständigt, den Verband weiter gemeinsam zu führen. Für Kontroversen sorgte jüngst der Wikipedia-Eintrag von Curtius. Dabei war bekannt geworden, dass der DFB einen Dienstleister mit einer Überarbeitung bzw. Erweiterung des Eintrags beauftragt hatte. Was er von den Vertretern des DFB in den internationalen Gremien von Weltverband FIFA und europäischem Dachverband UEFA hält, tat Hoeness dann auch noch gleich kund – indem er den als Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern ausscheidenden Karl-Heinz Rummenigge vorschlug und aktuell vorherrschende «Machtspiele», «Postenschacherei und Aufwandsentschädigungen» anprangerte.

Als Moderator Florian König Punkt Mitternacht zum Abschied «Es hat Spass gemacht» sagte, lächelte Hoeness kurz und sagte: «Mir auch.»

Die knallharte Analyse von Hoeness (Replay-TV)

Ab 46:20 Minuten sehen Sie, wie Uli Hoeness bei «RTL» über den DFB herzieht. In der Sendung «Fussball-Qualifikationsspiele-Highlights» gibt es, wie es der Name verspricht, die Höhepunkte aller Spiele zu sehen. Auch spricht Hoeness kurz vor seiner schonungslosen Analyse zum DFB über Jogi Löws Nachfolge-Kandidaten.