Sie haben gedacht, die Bayern-Pressekonferenz vom letzten Herbst lässt sich nicht toppen? Dann haben Sie die Rechnung nicht mit Leeds-Trainer Marcelo Bielsa gemacht.
Am Mittwoch lud Leeds-Trainer Marcelo Bielsa Journalisten zu einer ausserordentlichen Pressekonferenz ein. Der eine oder andere Reporter dürfte sich gefragt haben, worüber der Argentinier informieren will. «One Football» berichtete bereits vom Rücktritt, doch das hätte nicht wirklich Sinn gemacht. Denn Leeds United führt die Championship – Englands zweithöchste Liga – aktuell mit vier Punkten Vorsprung an.
Nein, Bielsa wollte den Journalisten bloss aufzeigen, warum das Team, bei dem der 63-Jährige seit Angfang Saison an der Seitenlinie steht, so erfolgreich ist. Warum er das machen wollte? Weil er in den letzten Tagen in England wegen des «Spygate» in der Kritik stand.
Bielsa hatte vor dem Spiel vom vergangenen Wochenende gegen Derby County einen Mitarbeiter zum Gegner geschickt, der das Training ausspionieren sollte. Der Spion flog auf und wurde gar von der Polizei abgeführt. Das «Spygate» schlug auf der Insel hohe Wellen, im vornehmen England ist man sich solche Sitten nun mal nicht gewohnt. Die englische Fussballliga (EFL) hatte am Dienstag sogar Ermittlungen gegen Leeds United aufgenommen.
Vorbereitung ist alles
Leeds gewann das Spitzenspiel gegen Frank Lampards Team mit 2:0. Und Bielsa zeigte den Journalistan am Mittwoch während 70 Minuten, weshalb. Er studierte Derby County mit seinem Analyse-Team nämlich bis ins letzte Detail: «Ich schäme mich, Ihnen das alles erzählen zu müssen», beginnt «El Loco» (deutsch: «Der Verrückte») – wie Bielsa auch genannt wird – seinen Vortrag anhand einer Powerpoint-Präsentation. Diesen Vortrag hält er natürlich auf spanisch, Englisch spricht Bielsa nicht. Sein Dolmetscher, der auch bei den Matchinterviews immer an seiner Seite ist, hilft den Journalisten.
«Reden wir über die Statistiken von Derby County. Sie haben in dieser Saison 31 Spiele gespielt. In 49 Prozent der Partien verwendeten sie ein 4-3-3-System mit der Nummer 8 auf der rechten Seite. In 22 Prozent ein 4-3-3, aber mit der 8 auf der linken Seite. Dasselbe gilt für das 4-2-1-3-System mit der 8 rechts und links.» Bielsa spricht von Strukturen und Prozentangaben – der eine oder andere Reporter dürfte wohl schon lange abgeschaltet haben. «Vor dem Spiel gegen Derby wussten wir genau, mit welchen System sie spielen werden», erklärt Bielsa und verrät, dass er sich alle 51 Spiele von Derby County aus der letzten Saison angesehen habe. Und für jedes dieser Spiele eine vierstündige Analyse erstellt habe.
«Warum ich das tue? Ich bin dumm genug»
Warum zeigt der Coach dies alles der Öffentlichkeit? «Damit will ich den Ermittlern ihre Arbeit einfacher machen. Ich gebe ihnen die Informationen, die sie brauchen», sagt Bielsa und verteidigt sich: «Was ich getan habe, ist nicht illegal. Wir können darüber diskutieren, ob das eine gute Sache war oder nicht. Ich weiss, dass nicht alles richtig ist, was legal ist. Aber ich habe nicht gegen das Gesetz verstossen.»
Seine Arbeitsweise sieht wie folgt aus: «Rund 20 Mitarbeiter kreieren für mich vor jedem Spiel ein Fass voller Informationen über den Gegner. Das ist manchmal überhaupt nicht notwendig, aber wenn wir das nicht machen, fühlen wir uns schuldig, dass wir nicht genug für den Erfolg gearbeitet haben. Die Analyse gibt uns das Gefühl, dass wir näher am Sieg sind, auch wenn das gar nicht stimmt.»
Bielsa will die Reporter und Ermittler davon überzeugen, dass seine «Spionage» dem Team keinen unfairen Vorteil verschaffe. «Wir sind nicht darauf angewiesen, die Trainings unserer Gegner zu beobachten. Ich habe bereits alle notwendigen Informationen, bevor ich das tue. Es gibt mir lediglich eine Bestätigung», so «El Loco».
Und weiter: «Ich kann zwar kein Englisch, aber ich weiss über alle 24 Mannschaften der Championship Bescheid.» Mehr als 300 Stunden hätte er mit seinen Mitarbeitern schon investiert, um die anderen Teams zu analysieren. In seiner Powerpoint-Präsentation ist auch eine bombastische Ansammlung von Daten zu jedem Spieler (!) der Liga.
Der nächste Gegner von Leeds ist Stoke City. Der Plan für diese Partie dürfte bereits stehen, denn der Coach sagt, dass er sich die letzten 26 Partien von Nathan Jones, der kürzlich als Trainer von Stoke City vorgestellt wurde, angesehen habe – Jones war zuletzt Trainer beim Drittligisten Luton Town. Bielsa schliesst die denkwürdige PK mit folgendem Satz ab: «Warum ich das alles tue? Ich denke, ich bin dumm genug dafür. Danke für Ihre Geduld.»