Cédric Brunner ist einer der Aufsteiger im Schweizer Fussball. Mit Bielefeld spielt er ab dieser Saison in der 1. Bundesliga. Der Ex-FCZler erzählt von seinem Leben in Ostwestfalen und was dem Fussball noch fehlt.
2018 verlässt Cédric Brunner den FC Zürich und schloss sich Arminia Bielefeld an. Nach schwierigen ersten Monaten und der Entlassung seines Fürsprechers Jeff Saibene etabliert sich der 26-jährige Aussenverteidiger im Team der Ostwestfalen und steigt mit ihnen in diesem Sommer in die Bundesliga auf.
Vor dem Bundesligastart am Samstag in Frankfurt spricht Cédric Brunner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über das Ausscheiden im Cup, das Leben in der Kleinstadt Bielefeld, sein Interesse an Sportpsychologie und die Schweizer Nationalmannschaft.
Cédric Brunner, Bielefeld schied im Cup gegen den Viertligisten Rot-Weiss Essen aus. Den Saisonstart haben Sie sich wohl anders vorgestellt?
Die Niederlage ist ein Dämpfer im Hinblick auf die neue Saison. Aber wenn man seine Leistung nicht bringt und nicht ernsthaft bei der Sache ist, kann es schnell nach hinten losgehen.
Hatte sich dieser Fehlstart abgezeichnet?
Die Vorbereitung verlief nicht reibungslos, wir haben auch in den Testspielen nie über 90 Minuten überzeugt und wohl gehofft, dass es am Tag X dann funktionieren würde. Aber so einfach ist es nicht. Wir dürfen uns aber nicht entmutigen lassen und müssen versuchen, wieder in den Flow der letzten Saison zu kommen.
Für die Arminia war es die erste Niederlage in diesem Jahr.
Wir waren in den letzten 18 Monaten vom Erfolg verwöhnt, was nicht der Normalität entspricht, ausser du spielst bei Bayern München oder Real Madrid. Für Bielefeld war dies ein absoluter Luxus und ein Privileg, auf einer solchen Erfolgswelle zu reiten. Wir sind es uns nicht mehr gewohnt zu verlieren.
Dies dürfte sich in der Bundesliga ändern.
Es wird Niederlagen geben. Wir müssen wieder lernen, wie sich diese anfühlen und unsere Ansprüche anpassen. Wenn alles gut läuft, ist es einfach, wenn es schwierig wird, wird sich der Charakter der Mannschaft zeigen, wie man zusammenhält und damit umgeht. Es ist ein weiterer Prozess, von dem wir viel profitieren können.
Das Thema Corona ist noch immer in aller Munde. Wie gehen Sie damit um?
Man muss vorsichtig sein, weil man sich ins eigene Bein schiesst, wenn man positiv ist und in Quarantäne muss. Dann ist man für ein paar Wochen raus aus der Mannschaft. Man muss Abstriche in Kauf nehmen, das soziale Leben ist eingeschränkt, was auch für die Psyche nicht ganz einfach ist. Es gibt viele Fragen, die einem im Kopf herumschwirren, die auch die Konzentration und den Fokus beeinträchtigen können.
Auf was freuen Sie sich am meisten?
Auf das erste Spiel. Es ist schön, wenn man später zurückblicken und sagen kann, dass man einmal einen Einsatz in der Bundesliga gehabt hat. Und die Duelle gegen Bayern und Dortmund sind natürlich Highlights, denn nun spielt man wirklich gegen die Weltbesten.
Ihre Rolle als Verteidiger dürfte sich wohl ändern?
Priorität als Verteidiger hat immer die defensive Arbeit, dort bin ich auch stärker als in der Offensive. Aber auch die Philosophie mit viel Ballbesitz, wie wir sie in der 2. Bundesliga pflegten, kam mir entgegen, da ich eine solide Grundlagentechnik habe und ruhig am Ball bin.
Wie sehen Sie Ihre Entwicklung der letzten zwei Jahre?
Ich konnte mich persönlich und fussballerisch weiterentwickeln und wichtige Erfahrungen sammeln. Im mentalen Bereich habe ich den grössten Fortschritt gemacht, eine erfolgreiche Zeit gibt Selbstvertrauen und Optimismus.
War für Sie immer klar, dass Sie einmal den Schritt ins Ausland wagen wollen?
Ich hätte mir gut vorstellen können, länger beim FCZ zu bleiben. Ich dachte aber für die persönliche Entwicklung würde mir eine Erfahrung im Ausland guttun, um aus der Komfortzone Zürich herauszukommen und selbstständig zu werden. Dass wir bereits in der zweiten Saison in die Bundesliga aufstiegen, war das Pünktchen auf dem i.
Sie haben in Bielefeld Ihren Vertrag um zwei Jahre verlängert. Gab es auch andere Optionen?
Für mich war immer klar, dass wenn wir es schaffen, Bielefeld die beste Option für mich ist. Hier habe ich mich bewiesen, der Trainer kennt mich und hat auf mich gesetzt, hier ist die Chance am grössten, dass ich zu Bundesligaeinsätzen komme.
Wie gefällt Ihnen das Leben in Ostwestfalen?
Bielefeld hat eine schöne Altstadt. Es läuft aber weniger als in Zürich und hat auch kein Wasser, was man als Zürcher natürlich vermisst. Ich habe eine schöne Wohnung im Zentrum, was eine gute Erfahrung ist, nachdem ich zuvor noch bei meinen Eltern gewohnt habe. Schön ist, dass die Leute fussballbegeistert sind. Vielleicht nicht so extrem wie in Dortmund oder Italien, aber deutlich mehr als in der Schweiz.
Neben dem Fussball studieren Sie noch Psychologie im Fernstudium in Hamburg. Warum Psychologie?
Die Vorgänge, die im Kopf abgehen, interessieren mich. Ich kann mir gut vorstellen, Fussball und Psychologie später einmal zu verbinden. Es gibt nicht viele Fussballer, die dies aus eigener Erfahrung weitergeben können, was aus meiner Sicht für die Glaubwürdigkeit aber wichtig wäre.
Herrscht Bedarf im Fussball?
Dieser Bereich wird unterschätzt, es wird viel zu wenig gemacht. Tagtäglich trainieren wir den Körper, aber Geist und Kopf trainieren wir nicht. Einer mit und einer ohne Selbstvertrauen sind zwei verschiedene Spieler, das sehe ich bei mir selbst. Vielen Fussballern geht es so, aber die wenigsten trauen sich, etwas zu sagen. Fussball ist ein Macho-Sport, man darf keine Schwäche zeigen.
Wie kann man das ändern?
Es gibt viel Potenzial. Die Hilfe muss aber auf Eigeninitiative des Spielers beruhen, damit sie nützt. Einfach jemanden hinzustellen, der von einem Teil belächelt wird und dem die anderen nicht zuhören, ist eher kontraproduktiv. Es muss eine externe Person sein, sonst bestehen Zweifel, ob diese alles für sich behält, wenn beispielsweise ein Spieler mit dem Trainer nicht klarkommt.
Nach dem Rücktritt von Stephan Lichtsteiner wurde in der Nationalmannschaft auf der rechten Seite ein Platz frei. Hat Vladimir Petkovic Sie schon einmal kontaktiert?
Nein, zuletzt hatte ich in der U17 Kontakt mit dem Verband. Es gibt sehr viel Konkurrenz auf meiner Position, viele Jüngere, die in der Pole-Position sind. Kevin Rüegg spielt in Italien, Jordan Lotomba wechselte nach Frankreich, Silvan Hefti ist ambitioniert. Zuletzt hat Silvan Widmer gegen Deutschland gut gespielt, hinzu kommen die Arrivierten wie Kevin Mbabu und Michi Lang. Klar wäre ein Nati-Aufgebot unglaublich schön, aber ich kann gut damit leben, wenn es nicht ganz reichen sollte.
Gibt es neben der Bundesliga noch andere Ligen, die Sie reizen würden?
Die zweite englische Liga finde ich attraktiv und würde zu meinem physischen Spiel passen. Auch vom Level her würde ich mich ungefähr dort einstufen. Die USA haben mich früher extrem gereizt, mittlerweile finde ich auch Destinationen wie Japan spannend, um auch abseits des Fussballs noch etwas mitzunehmen.