Am 28. Mai 1997 erklimmt Stéphane Chapuisat als erster Schweizer den europäischen Fussballthron. Mit Borussia Dortmund schreibt er im Final der Champions League gegen Juventus eine Cinderella-Story.
Ein paar Bier, der «Henkelpokal» und der Whirlpool der Bayern-Kabine: So liest sich das Kleingedruckte zum grössten Erfolg in der Spielerkarriere von Stéphane Chapuisat, die Melasse des Champions-League-Titels von Borussia Dortmund 1997. Auch 23 Jahre später spricht Chapuisat noch von einem «Wunder in München», und sagt zum 3:1-Sieg gegen Juventus Turin: «Selbst als der Pokal nach Spielschluss in unserer Kabine stand, konnten wir noch nicht richtig glauben, was wir erreicht hatten.»
Die Vorzeichen an jenem Abend vor 23 Jahren, durch den sich Chapuisat und seine Teamkollegen im Ruhrpott unsterblich machten, waren nicht günstig. Mit Juventus Turin stand dem BVB im Champions-League-Final das Team der Stunde gegenüber, der Titelverteidiger und italienische Meister, die späteren Weltmeister Zinedine Zidane und Didier Deschamps. Dortmund befand sich national derweil in der schwächsten Saison der sechsjährigen Amtszeit von Ottmar Hitzfeld, «in Grüppchen verfallen» sei das Team, urteilten die Medien. «Wenn du nicht ablieferst, wie du es könntest und wie es erwartet wird, wird in Deutschland rasch alles hinterfragt», sagt Chapuisat. «Aber, wenn es so schlecht gewesen wäre wie dargestellt, hätten wir die Champions League nicht gewinnen können.»
20 Minuten lang sollten die Kritiker der Borussia im Olympiastadion Recht behalten. «Zwei Klassen besser» sei Juventus in der Startphase gewesen, hielt der «Tages-Anzeiger» im Matchbericht fest, sodass dieser Final «viele Momente» bot, in denen er «einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können». Schon ganz früh im Spiel; etwa in der 3. Minute, als Juves Vladimir Jugovic nach einem Zweikampf mit Stefan Reuter der Penaltypfiff verwehrt blieb, oder drei Minuten später Christian Vieri nur ins Aussennetz traf. «Dass wir gegen Juventus unter Druck kommen würden, damit hatten wir gerechnet», sagt Chapuisat heute.
Hitzfelds gutes Händchen
Fast eine halbe Stunde warteten die 59'000 Zuschauer im Olympiastadion bis zur ersten Chance für den BVB, mit der Karl-Heinz Riedle sogleich den Jackpot knackte: 1:0. «Ab diesem Moment dachte ich, das kann unser Abend werden», sagt Chapuisat. Fünf Minuten später bewahrheitete sich die Vorahnung des damaligen Schweizer Nationalspielers, als auch der zweite Abschluss von Riedle im Tor von Angelo Peruzzi landete.
Riedle tat während mehr als einer Stunde fast alles, um zur grossen Figur dieses Finals zu werden. Zwei Tore erzielte er, brach sich in der ersten Halbzeit den grossen Zeh, den er sich in der Pause mit Schmerzmitteln taubspritzen liess, um bis zur 67. Minute durchzubeissen und letztlich doch von der Bank mitansehen zu müssen, wie ihm ein 20-jähriger Einwechselspieler mit der ersten Aktion noch die Show stahl.
«Ricken, lupfen jetzt»
Juventus hatte die zweite Halbzeit in ähnlichem Stil dominiert, in dem die ersten 20 Minuten des Spiels abgelaufen waren. Zudem hatte Lippis Wechsel in der Pause gefruchtet, Einwechselspieler Alessandro del Piero brachte die Juve in der 65. Minute zurück ins Spiel. Lars Ricken, der in der 70. Minute für Chapuisat in die Partie kam, sollte Hitzfeld und Dortmund helfen, das 2:1 über die Zeit zu bringen. Es kam anders. Ricken brauchte fünf Sekunden, um die Geschichte des Spiels umzuschreiben. Auf Zuspiel von Möller lupfte er den Ball aus 20 Metern über Peruzzi zum 3:1 ins Tor, die Entscheidung.
Wer die Partie im deutschen Rundfunk verfolgte, wird sich noch heute an Marcel Reifs verbale Untermalung der Szene erinnern. «Ricken, lupfen jetzt», gab der damalige ZDF-Kommentator vor. Ricken befolgte den Rat, der BVB gewann zum ersten und bis heute einzigen Mal die Champions League, und Chapuisat stemmte als erster Schweizer Spieler die Champions-League-Trophäe in die Luft. Zunächst auf dem Platz und danach in der Garderobe von Bayern München.