Am Sonntag endet für die Glasgow Rangers eine zehnjährige Wartezeit: Unter Steven Gerrard und mit dem Basler Cedric Itten kommt der schottische Verein zu einem seiner wichtigsten Meistertitel.
Erst einmal in der 130-jährigen Geschichte der schottischen Meisterschaft waren die Glasgow Rangers länger ohne Titel geblieben. Während neun Saisons musste die Mannschaft aus dem Südwesten der Stadt mitansehen, wie der Erzrivale Celtic triumphierte, eine Ewigkeit für einen Klub, der am Sonntag seinen 55. Meistertitel feierte. Gerade zum richtigen oder zum letztmöglichen Zeitpunkt beendeten die Rangers die Durststrecke. Ein zehnter Titel in Folge von Celtic wäre Rekord gewesen und Ausrufezeichen im ewigen Duell zwischen den beiden Glasgower Vereinen, die seit 1985 und dem Titelgewinn von Aberdeen unter Alex Ferguson die Meistertrophäen unter sich aufteilen.
Nun wird in Schottland darüber diskutiert, ob das nun der bedeutendste Meistertitel der Rangers ist. Angesichts der Leidenschaft, mit der die Fans am Wochenende auf den Strassen rund um das Ibrox Stadium feierten, könnte man das meinen. Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, tadelte die Anhänger für ihre zweitägige Meisterparty. In Schottland dürfen sich wegen der Corona-Pandemie derzeit eigentlich nur zwei Personen aus zwei Haushalten treffen. Diese Regel ging schon am Samstag nach dem Heimsieg gegen St. Mirren vergessen und erst recht tags darauf, als Celtic mit einem Unentschieden die letzte rechnerische Chance auf den Titel verspielt hatte.
Erster Meistertitel für Gerrard
Sechs Spieltage vor Schluss und damit noch vor der abschliessenden Finalrunde ist in Schottland das Meisterrennen entschieden. Der Machtwechsel von Celtic zu den Rangers hin ist an sich schon eine Überraschung, in dieser Deutlichkeit aber eine kleine Sensation. In der letzten Saison hatte sich Celtic bis zum Meisterschaftsabbruch 13 Punkte Vorsprung erspielt. Wenige Monate später gaben die Rangers eindrücklich den Ton an: in 32 Partien kamen sie zu 28 Siegen und vier Unentschieden bei einem Torverhältnis von 77:9. Celtic liegt 20 Punkte zurück.
Die Fans hätten also Zeit gehabt, sich auf den Titel einzustellen. Dass es am Wochenende trotzdem zum in Corona-Zeiten unerwünschten emotionalen Ausbruch kam, liegt daran, dass der Titel nicht nur lang ersehnt, sondern lange Zeit nicht absehbar war. Steven Gerrard, der Trainer und Baumeister der Erfolges, meinte: «Wir sind aus der Hölle zurückgekehrt.» Mit Hölle meint der frühere Liverpooler Captain die vierte Division, in der die Rangers 2012 wegen finanzieller Probleme zwangsrelegiert worden waren. Erst 2016 folgte die Rückkehr in die höchste Liga. 2018 stiess Gerrard zum Klub.
Der 40-jährige Engländer brachte den Klub wieder auf Kurs. Er kümmerte sich nicht nur um die Mannschaft, sondern auch um das Klubleben im Allgemeinen. Er habe einen super Job gemacht und gewisse Standards geschaffen, lobte ihn Vereinsboss Douglas Park. In seiner dritten Saison bei seiner ersten Station als Trainer auf höchstem Niveau folgte der Erfolg, der ihm als Spieler in Liverpool nicht vergönnt war: ein Meistertitel. Die Trophäe strahlt von Schottland nach England aus und schon wird spekuliert, ob Gerrard womöglich bald in Liverpool den derzeit glücklosen Jürgen Klopp ersetzen könnte.
Europäische Ziele
Die Worte von Gerrard nach dem Titelgewinn lassen nicht auf den einen baldigen Abgang schliessen. «Die Reise ist noch nicht fertig. Da kommt noch mehr», betonte er. Für die weiteren Ziele dürfte der Coach vermehrt auf den Schweizer Stürmer Cedric Itten setzen.
Der im Sommer von St. Gallen zu den Rangers gestossene Internationale bekam für seine Einsätze zwar regelmässig Lob von Gerrard, aber einen Stammplatz hat er sich noch nicht ergattert. Vier Tore hat der 24-Jährige zum Meistertitel beigetragen und zwei weitere Treffer in der Europa League geschossen, in der am Donnerstag das Achtelfinal-Hinspiel bei Slavia Prag ansteht. Wie in der schottischen Meisterschaft sind die Rangers auch im Europacup noch unbezwungen.