Ein KomplimentDeshalb hat Klopp Shaqiri die Leviten gelesen
tbz
27.9.2018
Nach dem unglücklichen Cup-Out gegen Chelsea erhält Xherdan Shaqiri von Liverpool-Trainer Jürgen Klopp eine Standpauke. Nun hat der Deutsche erklärt, weshalb er so sauer auf den Schweizer war.
Am Mittwochabend durfte Xherdan Shaqiri für Liverpool zum ersten Mal über die vollen 90 Minuten ran und wer das Spiel geschaut hat, weiss: so schlecht machte der Schweizer seine Sache nicht. Trotzdem: Direkt nach dem Schlusspfiff erhält Shaqiri noch auf dem Platz eine veritable Standpauke von Trainer Jürgen Klopp. Wild gestikulierend redet der Deutsche auf den Schweizer ein und der sonst so selbstsichere Shaq sieht plötzlich unsicher und eingeschüchtert aus. Aber was war denn da los?
Jurgen Klopp screaming at Shaqiri after his team exited the Carabao Cup this evening, on the same day that the whole country have ran headlines over a lesser argument involving Pogba/Mourinho. Won’t be reported though, because it’s not United. pic.twitter.com/6AIFjArR0h
«Es ging um den Freistoss ganz am Schluss», klärt Klopp in der Pressekonferenz nach dem Spiel auf und spricht damit die allerletzte Aktion der Partie an. Schiedsrichter Kevin Friend zeigt sich nach abgelaufener Nachspielzeit nämlich gnädig und spricht den «Reds» in der 96. Minute noch einmal einen Freistoss zu. Sogar Torhüter Simon Mignolet kommt mit nach vorne und stellt sich ins Getümmel an der Strafraumgrenze. Shaqiri steht gemeinsam mit Henderson über dem stehenden Ball, es ist jedoch der Engländer, der den Ball in Richtung des weiten Pfostens spediert – direkt ins Aus.
Klopps Ärger richtet sich auch nicht ausschliesslich gegen Shaq: «Ich wollte Mo (Mohamed Salah) ein bisschen weiter aussen und dann den Ball auf ihn spielen, es wäre nicht so schlecht gewesen, wäre Mo in der letzten Minute noch einmal in ein 1-gegen-1 gekommen. Der ganze Spielerhaufen war auf der anderen Seite, da wo wir den Ball dann auch hingespielt haben.»
Ein Kompliment?
Klopp erweckt auf der Pressekonferenz nicht den Anschein, auf Shaqiri sauer zu sein, er beschwichtigt die Situation. «Vermutlich war es am Schluss auch einfach zu laut im Stadion und die Jungs haben mich nicht mehr gehört.» In der Tat sieht es eher danach aus, als wollte Klopp, dass Shaqiri anstelle von Henderson den Ball getreten hätte – eigentlich ja ein Kompliment des Deutschen.
Er spricht dann aber noch eine Situation früher im Spiel an, als Shaqiri mit dem Ball am Fuss viel Platz im Strafraum hat, aber nicht aufs Tor schiesst, sondern nach minimalem Kontakt den Elfmeter sucht. «Wir hatten genug Gelegenheiten, mehr Tore zu schiessen. Wir hatten vor dem 1:0 Chancen und auch danach. Shaqiri war ganz alleine im Strafraum, vielleicht sollten wir ihn fragen, weshalb er nicht geschossen hat in der Situation», so Klopp.
Solche Aussagen zeigen, dass Shaqiri noch nicht genau so spielt, wie Klopp es gerne hätte. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb der Schweizer bis zum Spiel gegen Chelsea nur Teileinsätze bekam. Etwas völlig Normales, schliesslich muss sich der 26-Jährige erst einmal im Klopp’schen Spielsystem zurechtfinden. Dass es für so etwas Zeit braucht, ist wohl kaum eine Überraschung, das zeigen auch die Beispiele Fabinho und Naby Keita. Die beiden Mittelfeldspieler sind ebenfalls diesen Sommer zum FC Liverpool gestossen und auch sie haben sich noch längst keinen Stammplatz im Dress der «Reds» gesichert.
Der kleine Zauberer schlägt sich nicht schlecht
Shaqiri erzielte zwar keinen Treffer und Liverpool verlor das Spiel gegen Chelsea, trotzdem zeigte der Schweizer eine gute Leistung. Nachdem der Transfer zu Liverpool im Sommer bekannt wurde, scheute sich kaum jemand, den Wechsel zu kritisieren. Heute halten wir fest: Shaqiri schlägt sich gar nicht mal so schlecht.
Er war während den vollen 90 Minuten im Spiel integriert, verstand sich auf der rechten Seite gut mit Aussenverteidiger Nathaniel Clyne und fiel am Ball mit explosiven Antritten auf. Was vielleicht noch ein bisschen fehlt, ist der Wille, das Spiel in die Hand zu nehmen. Shaqiri zeigt nicht dieselben zielsicheren Laufwege wie Mo Salah oder Sadio Mané und er spielt noch keine «blinden» Pässe, als hätte er Augen am Hinterkopf.
Was fehlt, ist ein bisschen mehr Zeit und vielleicht ein bisschen mehr Wille: Er hätte in der Situation im Strafraum schiessen und das Spiel entscheiden müssen. Er hätte sich gegen den Captain des FC Liverpool, Jordan Henderson, durchsetzen und den letzten Freistoss des Spiels treten sollen, denn genau solche Dinge will Klopp sehen. Aber dass sein Zuspiel auf Salah angekommen wäre, daran zweifelt momentan niemand in Liverpool. Die Fans mögen ihn, die Presse genauso – weshalb Klopp nach dem Spiel auf Shaqiri losgegangen sei war eine der allerersten Fragen an der Pressekonferenz nach dem Spiel und zeigt den Stellenwert, den der Schweizer im Nordwesten Englands jetzt schon inne hat.
Über die Standpauke darf Shaqiri jetzt nicht zu lange nachdenken, die gehört bei Klopp genauso dazu, wie die herzliche Umarmung und je mehr Zeit er unter den Fittichen des Deutschen verbringt, desto häufiger werden wir vor allem Letzteres sehen.