Fall Bakery Jatta Deutsche Fans als Vorbild: So wird Rassismus im Fussball richtig bekämpft

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6.9.2019

Bakery Jatta kann wieder lachen: Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat die Ermittlungen zu seiner Identität eingestellt.
Bakery Jatta kann wieder lachen: Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat die Ermittlungen zu seiner Identität eingestellt.
Bild: Getty

Rassistische Äusserungen in Fussballstadien sorgten zuletzt immer wieder für Schlagzeilen. Dass Fussballfans auch anders können, zeigen die Anhänger in Deutschland im Fall Bakery Jatta.

Nachdem der farbige Inter-Stürmer Romelu Lukaku am letzten Wochenende im Spiel bei Cagliari von den gegnerischen Fans mit Affenlauten eingedeckt wurde, deckten ausgerechnet die Fans von Inter Mailand den Sarden den Rücken und sorgten mit ihren Aussagen für Kopfschütteln. Lukaku solle doch bitte die Affenlaute nicht als rassistische Äusserung verstehen, da italienische Fussballfans nun mal auf diese Art den Gegner unter Druck setzten und ihrem eigenen Team helfen wollen, schrieben die Inter-Ultras in einem sehr fragwürdigen Facebook-Post

Der Fall Lukaku ist längst nicht der erste, der in den vergangenen Monaten für Aufregung sorgte. Die Cagliari-Fans sorgten bereits im April für einen Eklat, als sie den erst 19-jährigen damaligen Juve-Stürmer Moise Kean rassistisch beleidigten. Auch in England ist Rassismus immer wieder ein Thema. Ein Chelsea-Fan erhielt Ende Juli lebenslanges Stadionverbot, nachdem er Manchester-City-Profi Raheem Sterling mit nicht druckreifen Worten beleidigt hatte.

Während vor allem in Italien und England Rassismus auch im Jahr 2019 noch omnipräsent ist, zeigen die Fussballfans in Hamburg, wie man sich richtig verhält. Bei unserem nördlichen Nachbarn dominierte in den letzten Wochen der Fall von Bakery Jatta die Schlagzeilen der Boulevard-Medien. Der gambische Stürmer des Hamburger SV wurde verdächtigt, nach der Flucht aus der Heimat bei seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2015 falsche Angaben gemacht zu haben und nun unter falscher Identität zu spielen. Jatta soll in Wahrheit Bakery Daffeh heissen und nicht 21, sondern 23 Jahre alt und bei seiner Ankunft in Deutschland nicht mehr minderjährig gewesen sein, glaubte die «Bild»-Zeitung zu wissen.

Die Hinweise verdichteten sich, gegen Jatta wurden Ermittlungen aufgenommen, doch der HSV entschied sich, den Spieler in den folgenden Spielen weiter einzusetzen. Die Klubs aus Nürnberg, Karlsruhe und Bochum, die in der laufenden Saison Spiele gegen den HSV verloren hatten, legten Einspruch gegen die Wertung ein, da Jatta in diesen Partien zum Einsatz kam. Nachdem das Hamburger Bezirksamt seine Ermittlungen gegen Jatta Anfang Woche eingestellt hatten, zogen sich auch die Klubs zurück und das Sportgericht des DFB schloss die Einspruchsverfahren ab.

Solidarität von gegnerischen Fans

Obwohl der Fall Jatta für die gegnerischen Fans ein gefundenes Fressen für Anfeindungen eines gegnerischen Spielers hätte sein können, verhielten sich die Zuschauer in den deutschen Stadien grösstenteils vorbildlich. Nachdem der Stürmer aus Gambia in Karlsruhe allerdings ausgepfiffen wurde, reagierten die Ultras von Hannover 96 letzte Woche vor dem Top-Spiel der 2. Bundesliga gegen den HSV mit einer starken Botschaft und forderten die eigenen Anhänger auf, Beleidigungen und Pfiffe gegen Jatta zu unterlassen. 

Auch beim Testspiel am Donnerstag zwischen Wolfsburg und dem HSV (1:1) siegte die Soidarität. Statt Jatta zu verschmähen und zu beleidigen, feierten die Wolfsburg-Fans den gegnerischen Spieler bei seiner Einwechslung regelrecht, nachdem sie ihm bereits beim Warmmachen applaudiert hatten.

«Es war ein Zeichen für die ganze Liga und sogar für ganz Deutschland», sagt HSV-Stürmer Martin Harnik zur tollen Geste der VfL-Anhänger. Hamburgs Trainer Dieter Hecking lobt auch Nürnberg, Karlsruhe und Bochum, die ihren Einspruch gegen die Wertung der verlorenen Spiele zurückgezogen haben: «Es gibt viele Menschen in Deutschland, die wissen, dass das, was mit ihm gemacht wurde, nicht in Ordnung war. Dafür haben die Leute ein feines Gespür und geben ihm vielleicht jetzt etwas zurück.»

Hecking prangert aber auch die deutschen Medien an, die mit ihren rein spekulativen Berichten Jatta wohl viele schlaflose Nächte beschert hatten. «Ich habe noch nirgends gelesen, dass sich irgendeiner entschuldigt hat bei ihm. Da ist gar nichts gekommen bis jetzt. Das finde ich unmöglich», so Hecking. «Ich finde, wenn man einen Fehler gemacht hat, dann kann man dazu stehen und nicht noch dumme Kommentare schreiben.»

HSV-Fans feiern Jatta von Anfang an

Den grössten Respekt im Fall Jatta verdienen sich die Fans des HSV. Sie standen seit dem Tag, an welchem die Gerüchte der falschen Identität ihres Spielers erstmals gestreut wurden, hinter Bakery Jatta. Sie gaben dem Spieler, der von den Medien als Lügner abgestempelt wurde, stets Rückendeckung. Im Pokalspiel gegen Chemnitz vor drei Wochen rollten die Anhänger ein Banner mit der Aufschrift «Bakery: No matter what, we got your back» (Wie auch immer, wir geben dir Rückendeckung) aus. Nach dem Spiel feierten sie Jatta mit Sprechchören.

Bakery Jatta bedankt sich bei den HSV-Fans für den Support.
Bakery Jatta bedankt sich bei den HSV-Fans für den Support.
Bild: Getty

Als Jatta am letzten Sonntag beim 3:0 gegen Hannover sein erstes Saisontor erzielte, explodierte das Hamburger Volksparkstadion regelrecht. Nach seiner Auswechslung gab es Standing Ovations.

Auch in Deutschlands Fussball ist das Thema Diskriminierung nicht inexistent. In Chemnitz sorgen rechtsradikale Fans immer wieder für Negativschlagzeilen, Schalke-Präsident Clemens Tönnies stand kürzlich wegen rassistischer Bemerkungen im Zwielicht und in Dresden lösten am letzten Wochenende frauen- und transgenderfeindliche Spruchbänder Kopfschütteln aus. In Hamburg ist man in diesen Tag von Rassismus aber ganz weit entfernt. Daran sollte sich manch ein Stadionbesucher ein Beispiel nehmen.

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