Deutschland gegen England hat immer eine besondere Brisanz. Während das Duell im Wembley vor allem aus Prestigegründen interessant wird, geht es bei den Partien Ungarn – Italien sowie Portugal – Spanien auch um die letzten beiden Tickets für das Finalturnier im Juni 2023.
Deutschland vs. England
Auch bei der dritten Auflage hat die deutsche Nationalmannschaft in der Nations League das Finalturnier verpasst. Mit sechs Punkten liegt sie vor dem abschliessenden Spiel gegen England hinter Spitzenreiter Ungarn (10 Punkte) und Italien (8) auf Platz drei. Diese beiden nicht für die WM qualifizierten Teams spielen auch am Montag den Teilnehmer am Final Four im Juni 2023 aus. Schlimmer als die DFB-Elf hat es England (2) erwischt. Die noch sieglosen Three Lions sind Tabellenletzter und müssen als Absteiger bei der nächsten Auflage in der zweitklassigen B-Liga antreten.
Hansi Flick – das 0:1 gegen Ungarn war im 14. Länderspiel mit ihm als Bundestrainer die erste Niederlage – ist aber weiterhin von der Qualität der Engländer überzeugt. Für den viel gescholtenen Gareth Southgate hat er nur lobende Worte übrig: «Die Premier League ist die beste Liga der Welt. Zudem ist der Kader der Engländer einfach auch herausragend.» Ausserdem hätten die Fussballer auf der Insel sehr viele Spiele, was man vielleicht das eine oder andere Mal auch sehe, betonte der 57-Jährige. «Gareth ist der erfolgreichste Trainer in der englischen Geschichte.» Er habe auch den besten Punkteschnitt, ergänzt Flick und lobt seine «gute Arbeit». Flick über den Gegner: «Es ist eine tolle Mannschaft, eine Mannschaft, wo es auch für uns schwer wird. Da müssen wir wirklich einen Toptag haben, um bestehen zu können.»
Der in der Kritik stehende Southgate ist sich derweil bewusst, dass sein bis 2024 laufender Vertrag keine Sicherheit bietet. «Ich bin nicht dumm. Ich weiss, dass man mich an den Ergebnissen bei der Weltmeisterschaft messen wird und an nichts anderem. Verträge sind im Fussball irrelevant – wenn die Ergebnisse nicht gut genug sind, dann muss man akzeptieren, dass es Zeit ist, sich zu trennen. Mein Vertrag schützt mich nicht.»
Vor dem Traditionsduell hebt der England-Trainer die Mentalität des DFB-Teams hervor. Vor allem ein Bayern-Star sei besonders wichtig für das Team: «Ich denke, dass sie sehr viele gute Spieler haben. Joshua Kimmich ist sehr wichtig für die Mannschaft und für ihre Spielweise. Er organisiert das Spiel für sie und kann es so gut lesen. Aber sie haben viele Weltmeister und Champions-League-Sieger. Wir wissen, dass Deutschland in jedem Spiel diese Mentalität und diesen Glauben zeigt. Das müssen auch wir zeigen. Wir müssen beweisen, dass wir den gleichen Glauben auch an uns haben. Wir haben nicht die gleiche Geschichte, die uns diesen Glauben gibt. Aber wir haben die jüngere Geschichte mit diesem Team und es hat was erreicht. Und ich glaube, dass das einer der grossen Faktoren ist, wenn du gegen Deutschland spielst.»
Tatsächlich gewann Deutschland trotz leicht negativer Gesamtbilanz (13 Siege, 17 Niederlagen, 8 Remis) die meisten wichtigen Spiele (WM-Halbfinal 1990, den EM-Halbfinal 1996 oder WM-Achtelfinal 2010). Aber schmerzhaft in Erinnerung ist das 0:2 im EM-Achtelfinal vor gut einem Jahr.
Ungarn vs. Italien
Knapp 70'000 Zuschauer werden in der Puskas Arena in Budapest das Heimteam anfeuern. Keine leichte Aufgabe, wie Gäste-Coach Roberto Mancini betont: «Es ist nie einfach, in Ungarn zu spielen, aber ich freue mich, dass sie sich in der Nations League so gut geschlagen haben, zumal ihr Trainer Marco Rossi mein ehemaliger Teamkollege ist.»
Der Überraschungstabellenführer Ungarn hat mit 10 Punkten zwei Zähler mehr auf dem Konto als Italien. «Für mich stehen die Chancen 50:50, denn sie sind auch mit einem Unentschieden weiter», meint Mancini und ergänzt: «Die Tatsache, dass wir hier sind und 90 Minuten vor Schluss um den ersten Platz in der sogenannten Todesgruppe kämpfen, ist schon erfreulich.»
Weniger erfreulich empfand «Mancio» dagegen die jüngsten Schlagzeilen um Ciro Immobile. Der Stürmer war zwar mit dem Rest der Mannschaft am Flughafen und auf der Rollbahn, blieb dann skurrilerweise aber im Auto sitzen, während die anderen ins Flugzeug stiegen. Gemäss Berichten soll Lazio-Präsident Claudio Lotito beim Verband persönlich interveniert haben, um den angeschlagenen Immobile (Oberschenkelprobleme) aus dem Kader zu streichen. «Wir haben es versucht und Immobile hat alles richtig gemacht, um bei uns zu bleiben, aber am Sonntagmorgen haben wir entschieden, dass es das Risiko nicht wert ist», versicherte Mancini gegenüber der Presse.
Mancini wünscht sich generell etwas mehr Begeisterung für die Squadra Azzurra. «Ich denke, das Wichtigste ist, dass man bereit ist, sich in die Nationalmannschaft berufen zu lassen. Auch wenn die Dinge nicht einfach sind. Wir haben immer versucht, den Spielern und Vereinen keine Probleme zu bereiten. Wir haben den verletzten Spielern immer geholfen, damit sie nach Hause zurückkehren konnten (...). Die Nationalmannschaft ist für einen Spieler sehr wichtig. Manchmal sollten sie die Nationalmannschaft ein bisschen mehr lieben. Aber diese Probleme sind die Probleme aller Trainer.»
Positiv dürfte Mancini sicher stimmen, dass Italien die bisher einzige Mannschaft ist, die Ungarn in dieser Saison in der Nations League besiegen konnte (2:1). Schon damals fehlte Immobile – der in seiner Nationalmannschaftskarriere selten seine Leistungen aus dem Klub abrufen konnte – im Angriff. Dafür wirbelte der «kleine» Dreiersturm mit Willy Gnonto (1,70 Meter), Giacomo Raspadori (1,72 Meter) und Matteo Politano (1,71 Meter).
Speziell der 22-jährige Raspadori, der mit einem wunderschönen Tor gegen England den Sieg sicherte, soll zukünftig eine tragende Rolle einnehmen. «Wir haben ihn zur EM mitgenommen, obwohl er nur wenige Länderspiele hatte. Er könnte also ein wichtiger Spieler werden, braucht aber mehr internationale Erfahrung. Das Erreichen des Final Four könnte für die jüngeren Spieler im Kader wichtig sein.»
Portugal vs. Spanien
Die effiziente Nati fügte am Samstag der Furia Roja die erste Heimniederlage seit 2018 zu. Die überraschende Pleite hat zur Folge, dass Spanien nun in Braga gewinnen muss, um eine Chance zu haben, ihren Nachbar-Rivalen zu überholen und die Gruppe gewinnen.
Portugal demontierte seinerseits auswärts die Tschechen glatt mit 4:0. Ungewöhnlich: Unter den Torschützen fehlte Cristiano Ronaldo. Der Superstar erlebte sowieso einen bitteren Abend. Nach einer Viertelstunde prallte er mit Goalie Tomas Vaclik zusammen und holte sich eine blutige Nase. Danach sorgte er noch mit einem Handspiel im Strafraum für einen Schreckmoment für sein Team, doch Patrik Schick verschoss den fälligen Penalty.
Doch der 190-fache Internationale (117 Tore) lässt sich von Rückschlägen bekanntermassen nicht beirren. So hielt er kürzlich an einer Gala in Lissabon auf seine Zukunftspläne angesprochen fest: «Es war ein langer Weg, aber ich nutze diese Gelegenheit, um zu sagen, dass mein Weg noch nicht zu Ende ist.»
Der 37-Jährige will zudem auch an der EM 2024 mitspielen. Das Turnier in Deutschland wäre Ronaldos sechste Europameisterschaft – Rekord. Auch seine Bestmarke mit 25 EM-Einsätzen könnte er weiter ausbauen. Doch zuvor will er seine Trophäensammlung ausbauen. Mit einem Remis oder gar Sieg über Spanien ist man wieder am Finalturnier dabei. Und wer die Bilder im Kopf hat, wie ausgiebig Ronaldo den Triumph mit Portugal 2018/19 feierte, weiss, wie ehrgeizig dieser Ausnahmesportler noch ist.
