Der 19-jährige Max Taylor sitzt am Donnerstag in der Europa League bei Manchester United auf der Ersatzbank und sieht, wie seine Teamkollegen 1:2 verlieren. Wenn einer weiss, dass es Schlimmeres gibt im Leben als eine Niederlage, dann er.
Trainer Ole Gunnar Solskjaer bietet für die Europa-Leauge-Partie in Kasachstan mehrere Spieler aus der U23 auf. Einer von ihnen heisst Max Taylor. Eingesetzt wird er zwar nicht – und das Spiel gegen Astana geht erst noch verloren –, dennoch ist es eine märchenhaft anmutende Geschichte.
Seit 2014 spielt Taylor in den Nachwuchsabteilungen von Manchester United, alles dreht sich bei ihm um Fussball. Im Januar 2018 unterschreibt er seinen ersten Profivertrag, wird zunächst aber noch in der U23 parkiert. Im Sommer trainiert er dann mit dem Team und merkt, dass etwas nicht stimmt. Er kommt schneller ausser Atem als früher und hat Schmerzen zwischen den Beinen, wenn er rennt. Der Teamarzt diagnostiziert eine Zyste am Hoden und verschreibt dem Teenager Antibiotika. Die Therapie scheint anzuschlagen, schnell fühlt er sich besser.
Doch zwei Wochen später kehren die Schmerzen zurück. Der Teamarzt glaubt, die Dosis sei zu gering gewesen, verschreibt ihm erneut Antibiotika, schickt ihn aber trotzdem noch zum CT-Scan. Es folgt der grosse Schock für den jungen Verteidiger: Taylor hat Hodenkrebs. Als der Arzt ihm die Diagnose mitgeteilt habe, sei seine Mutter zusammengebrochen, sagt er in einem Interview beim britischen TV-Sender BBC. Er selbst sei so überrascht gewesen, dass er nicht einmal habe weinen können.
Bei weiteren Untersuchungen stellt sich heraus, dass der Krebs gestreut hat, auch die Lymphknoten und die Lunge sind befallen. Der Fussball ist plötzlich in weite Ferne gerückt, bei Taylor dreht sich alles um Leben und Tod. Der befallene Hoden muss entfernt werden, danach folgt eine neunwöchige Chemotherapie. Nachts sei er wach dagelegen und habe gedacht: «Ich könnte sterben.» Er sei total erschöpft gewesen von der Chemotherapie, er habe nicht einmal aufrecht sitzen können. Seine Freunde wollte er zu dieser Zeit nicht sehen, er will nicht, dass man ihn bemitleidet.
Der Weg zurück in sein altes Leben
Glücklicherweise schlägt die Therapie an. Im Februar ist Taylor krebsfrei. Die Leidensgeschichte geht aber vorerst weiter. Die angeschwollenen Lymphknoten drohen die Blutgefässe zu quetschen. Ein weiterer chirurgischer Eingriff ist unumgänglich, dies obschon das Immunsystem noch geschwächt ist. Die Operation verläuft erfolgreich und in kleinen Schritten kämpft sich Taylor zurück in sein früheres Leben.
Im vergangenen Sommer kehrt er zu Manchester United zurück, doch vieles hat sich verändert. Mit Ole Gunnar Solskjaer steht bei den Profis ein neuer Trainer an der Seitenlinie, sein Förderer José Mourinho ist weg. Doch der Norweger bittet den Jungen am ersten Tag in sein Büro und nimmt ihn dann zum Training der ersten Mannschaft mit. Im Oktober hat Taylor seinen ersten Teileinsatz in der U23, einen Monat später erhielt er nun ein Aufgebot für das Spiel in der Europa League gegen Astana. Auch wenn er nicht zum Einsatz kam, hat die Geschichte natürlich dennoch etwas Märchenhaftes.
Taylor selbst möchte seine Geschichte zum Anlass nehmen, Leidensgenossen zu inspirieren: «Die Message, die ich weitergeben möchte, ist, dass es möglich ist. Es ist möglich, dorthin zurückzukehren, wo du vorhin warst. Und sogar noch besser zu werden.» Es sind die Worte eines jungen Mannes, der dem Tod von der Schippe gesprungen ist.