Die Schweizer Rekordtorschützin Ana-Maria Crnogorcevic spielt im Land des Weltmeisters USA und strebt mit der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft die zweite EM-Teilnahme in Folge an.
Am Donnerstag feierte Ana-Maria Crnogorcevic im Kreis der Nationalmannschaft am Tag vor dem EM-Qualifikationsspiel in Litauen ihren 29. Geburtstag. Obwohl noch keine 30 weist die Berner Oberländerin im Team von Nils Nielsen mit 114 Länderspielen die meiste Erfahrung auf. Und dank des Treffers zum 4:0 vor einem Monat beim Auftakt in Schaffhausen im Hinspiel gegen Litauen ist sie mit 54 Toren wieder alleinige Rekordtorschützin.
Ihre Rolle innerhalb der Mannschaft hat sich deswegen ebenso wenig verändert wie nach dem Trainerwechsel sowie dem Rücktritt von Captain Lara Dickenmann. «Ich habe vor fünf Jahren schon Verantwortung übernommen – und das mache ich noch immer», sagt Crnogorcevic. Sie sei eine, die mehr spreche als andere – positiv wie negativ – und daher mehr auffalle. «Das liegt in meinem Naturell.»
Die Karriereplanung hatte Crnogorcevic schon früh in die eigenen Hände genommen. Noch als Teenager wechselte sie nach Hamburg in die Bundesliga und debütierte in der SFV-Auswahl. Später folgte der Transfer nach Frankfurt, wo sie mit dem FFC 2015 die Champions League gewann. 2018 wagte sie den Schritt nach Übersee, in das Land des alten und neuen Weltmeisters, wo sie mit den Portland Thorns nach Platz 2 im letzten Jahr ab Mitte Oktober in den Playoffs erneut um den Titel spielen wird.
Erfahrungen im Land des Weltmeisters
Die USA sind nicht erst seit Megan Rapinoe und Co. in diesem Sommer das Interesse der europäischen Öffentlichkeit geweckt haben das Nonplusultra im Frauenfussball. «Es ist ein cooles Erlebnis, ein anderer Fussball, ein anderer Lifestyle», sagt Crnogorcevic. Die Fussball-Intelligenz sei in Europa höher, die Physis, Mentalität und Intensität in den USA aber eine andere. Damit hätten diese an der WM die europäischen Teams gebodigt. «Ihre Einstellung ist: 'Wir gehen dahin und gewinnen, das ist sonnenklar.'»
Der Stellenwert des Frauenfussballs ist in den USA viel grösser, die WM-Spiele wurde in den Bars gezeigt, die Infrastruktur und die Förderung im Nachwuchsbereich deutlich besser. «Von nichts kommt nichts», sagt Crnogorcevic. «Man muss immer zuerst einmal etwas investieren.» Dies sei vereinzelt auch in Europa möglich. «Aber das braucht Zeit.»
In den USA ist auch der Umgang mit den Spielerinnen ein anderer. «Die Eigenverantwortung ist gross, es wird nichts vorgeschrieben.» Als Beispiel nennt die Bernerin die Verpflegung bei Reisen. Während in Europa gemeinsame Essen mit dem Team die Norm sind, geschieht dies in den USA individuell. «Alle kriegen ihr Essensgeld im Hotel, dann kann jede selbst entscheiden, wohin sie geht und was sie damit macht.»
Auch Nationaltrainer Nielsen legt mehr Wert auf Eigenverantwortung als seine deutsche Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg. «Er lässt uns viel Handlungsspielraum, es wird auf und neben dem Platz weniger ein Rahmen vorgegeben, die Regeln bestimmen oft wir», so Crnogorcevic, die im SFV-Dress unter dem Dänen nach Jahren als rechte Aussenverteidigerin wieder Stürmerin spielen darf. «Und auf dem Platz suchen wir noch mehr den direkten Weg aufs Tor.»
Eine spezielle Partie im doppelten Sinn
Mit der Partie am Dienstag in Thun gegen Kroatien steht für Crnogorcevic in doppelter Hinsicht ein spezielles Spiel an. Erstmals darf sie, die in Steffisburg aufgewachsen ist, ein Länderspiel in ihrer Heimat bestreiten, zudem ist Kroatien das Geburtsland ihrer Eltern. «Sie und meine Freunde freuen sich seit Wochen auf die Partie – und auch ich kann es kaum erwarten.»
Der Bezug zu Kroatien hält sich bei Crnogorcevic allerdings in Grenzen. Kroatisch ist zwar ihre Muttersprache und in Kroatien hat sie oft Ferien verbracht, gelebt hat sie dort aber nie. Mit ihrer Schwester spreche sie Berndeutsch, und in der Mannschaft gebe es wohl keine mit einem solch ausgeprägten Dialekt wie sie. «Es gibt sicher solche, die einen engeren Bezug zur Heimat ihrer Eltern haben als ich.»
Die Diskussionen um Secondos und Doppelbürger, die bei der Männer-Nationalmannschaft von den Medien immer wieder thematisiert werden, findet sie gelegentlich mühsam. «Wenn es läuft, ist alles gut, wenn es einmal nicht läuft, dann fällt dies schnell einmal auf die Secondos oder Ausländer zurück», sagt Crnogorcevic. Diese Diskussionen werde es aber leider auch in Zukunft immer wieder geben. «Nicht nur im Fussball – und nicht nur in der Schweiz.»