Das Schweizer Nationalteam wahrt im letzten Test vor der EM gegen Österreich (1:1) seine Ungeschlagenheit in diesem Jahr, kann den grössten Zweifel aber nicht ausräumen. Die Offensive ist zu harmlos.
Ja, der Angriff bleibt die grösste Baustelle im Schweizer Nationalteam. Dies ist die offensichtlichste Erkenntnis aus dem Remis gegen das formstarke, aber nicht in Bestbesetzung und nicht mit der letzten Entschlossenheit angetretene Österreich am Samstagabend in St. Gallen.
«Die Defensive war gut, in der Offensive fehlten mir im letzten Drittel ein bisschen die kreativen und unberechenbaren Ideen», befand Nationalcoach Murat Yakin. Ruben Vargas, der auf dem rechten Flügel begann, seine besten Szenen aber über die linke Seite hatte, meinte: «In der Offensive hätten wir bessere Entscheide treffen können.»
Nach einem Fehlstart und frühem Rückstand waren die Schweizer gegen Österreich über weite Strecken spielbestimmend. «Wir haben schon lange nicht mehr so dominant gegen einen sehr guten Gegner gespielt», sagte Captain Granit Xhaka über die erste Halbzeit. «Wir sind gut organisiert und spielen mit und ohne Ball guten Fussball.» Aber eben: «Es fehlen noch einige kleine Einzelheiten, vor allem im Abschluss. Die Ballannahmen waren nicht top, der letzte Pass war nicht top.»
Zwei Schüsse aufs Tor
Zweimal schossen die im Sturm mit Ruben Vargas, Zeki Amdouni und Steven Zuber aufgelaufenen Schweizer in den 90 Minuten in St. Gallen aufs Tor. Auch die Einwechslung von Xherdan Shaqiri und Noah Okafor brachte nicht mehr Gefahr. Für den einzigen Glücksmoment im gegnerischen Strafraum sorgte mit dem Torschützen Silvan Widmer bezeichnenderweise ein Verteidiger.
«Ich glaube, wir kommen mit einer sehr stabilen Defensive und haben vorne genügend Spieler, die gefährlich werden können. Zum Beispiel Dan Ndoye, der über die Seiten hervorstossen kann und sehr stark im Dribbling ist», sagte Widmer. Und: Man habe in den letzten Wochen intensiv entgegengesetzte Läufe trainiert, um so hinter die gegnerische Abwehr zu kommen.
Dennoch: Es bleibt beim Hoffen auf Shaqiris Geniestreiche und einen fitten Breel Embolo. Für Shaqiri sind 120 Minuten in vier Tagen laut Trainer Murat Yakin in dieser Verfassung das Maximum, um das Verletzungsrisiko zu überschauen. Hinter seiner Form steht ein grösseres Fragezeichen. Zudem gefährdet Shaqiris minimalistische Defensivarbeit die Stabilität im Spiel gegen hinten und blieb der Zauberfuss am Samstag einmal mehr wirkungslos, wenn er von der Ersatzbank ins Spiel kam. Embolo befindet sich nach einem Muskelfaserriss im Wettlauf gegen die Zeit.
Kreativität und Schnelligkeit
Kreativität und Schnelligkeit sind für Yakin der Schlüssel, damit es an der EM besser kommt. Diese Stärken konnte das dafür prädestinierte Trio Zuber, Vargas und Ndoye nur gegen Estland, die Nummer 123 der Weltrangliste, richtig ausspielen. Zuber musste sich gegen Österreich ausserdem bereits in der ersten Halbzeit wegen eines Ziehens in der Wade auswechseln lassen.
Immerhin überzeugte die Schweiz ohne die beiden stärksten Offensivkräfte Shaqiri und Embolo in defensiven Belangen. Für Trainer und Captain genug, um mit breiter Brust und einem «sehr positiven Gefühl» (Yakin) an die EM zu reisen. Xhaka hielt fest: «Ich bin überzeugt, dass es gut kommt. Wir haben genug Qualität, wir werden das gemeinsam schaffen.» Yakin meinte: «Die Mannschaft hat gut trainiert, wir haben gute Entscheide getroffen, die Stimmung ist top.»