Zwei Monate vor Beginn der EM befindet sich Fussball-Deutschland einmal mehr in der Krise. Ist der unter dem scheidenden DFB-Coach Joachim Löw initiierte Generationenwechsel mit dem 1:2 gegen Nordmazedonien endgültig gescheitert?
Was dieses 2:1 den Nordmazedoniern bedeutet, war in Duisburg lange nach dem Schlusspfiff noch zu vernehmen. Als der Mannschafts-Car der Gäste die Stadioneinfahrt verliess, verabschiedete er sich in ein lautes Hupkonzert. Davor waren sich die Nordmazedonier auf dem Rasen bereits in den Armen gelegen, der ehemalige Schaffhausen- und Lugano-Profi Ezgjan Alioski hatte den Sieg gegen Deutschland als unglaublich betitelt, «wenn man bedenkt, wer in dieser deutschen Mannschaft spielt und wie viele Titel sie schon gewonnen hat».
Was dieses 1:2 für Deutschland bedeutet, war den Durchhalteparolen von Joachim Löw zu entnehmen. Der nach der EM im Juni scheidende Bundestrainer sprach nach seinem letzten WM-Qualifikationsspiel mit Deutschland von einer «riesengrossen Enttäuschung» und appellierte ein weiteres Mal an die Geduld von Fans und Beobachtern. «Auf keinen Fall dürfen wir jetzt völlig den Glauben verlieren an die Stärke, die die Mannschaft hat», sagte Löw nach Deutschlands erst dritter Niederlage in einer WM-Qualifikation überhaupt.
Den Glauben an den EM-Titel scheinen viele Fans in Deutschland nach der Schmach gegen Nordmazedonien aber endgültig verloren zu haben. In einer «Bild»-Umfrage wünschen sich weit mehr als 80 Prozent der über 200'000 Abstimmenden einen sofortigen Löw-Abgang.
Auch der Glaube an die Stärke der DFB-Elf hat in den letzten drei Jahren von Löws Schaffen Schaden genommen, in Duisburg fiel weiterer Lack ab. Trotz des emsigen Bestrebens von Seiten Löw, an seinem 2017 vollzogenen Generationenwechsel – dannzumal noch mit dem Sieg am Confed-Cup belohnt – festzuhalten, bietet die neue Generation immer wieder Argumente für eine Reaktivierung der ausrangierten Weltmeister von 2014: allen voran Mats Hummels und Thomas Müller.
Löw will nicht, Medien haben schon geantwortet
Ob die beiden auf die letzte Endrunde unter dem aktuellen Coach zurück in die Mannschaft finden, liess Löw nach dem 1:2 gegen die Nordmazedonier offen. «Die Frage ist jetzt heute nicht zu beantworten aufgrund des einen Spiels. Die Frage ist ja auch nicht gestellt worden nach den letzten beiden Spielen. Wir haben gesagt, dass der Entscheid insgesamt dann im Mai fällt», sagte Löw am späten Mittwochabend.
Für die deutschen Medien und einen grossen Teil der DFB-Fans ist der Fall klar. Ohne die Erfahrung der beiden Routiniers fehlt es dem Team nicht an Talent, dafür aber an Orientierung. «Kleinste personelle und taktische Verschiebungen, die Löw durch die Hereinnahme von Robin Gosens nach den Sieg-Mutmachern gegen Island (3:0) und Rumänien (1:0) vornahm, setzten die Statik ausser Kraft», schrieb die dpa. Und die Süddeutsche Zeitung meinte im Hinblick auf eine Rückkehr des 31-jährigen Müllers und des noch ein Jahr älteren Hummels: «Die Nominierung der beiden wäre gewiss nicht von Nachteil. Aber ob sie das Allheilmittel wäre, das viele darin sehen, ist sehr fraglich.»
Löws 32. Niederlage im 192. Länderspiel wäre mit einer etwas besseren Chancenauswertung zu vermeiden gewesen. Auch wirkt sie im Hinblick auf das Restprogramm der WM-Qualifikation nicht bedrohlich. Aber das Scheitern kam zu einem schlechten Zeitpunkt – einmal mehr.
Wie schon beim 0:6 gegen Spanien letzten November folgt nun eine längere Pause für das DFB-Team, ehe es sein Pensum am 15. Juni mit der EM-Partie gegen Frankreich wieder aufnimmt. Löws Team erhält also keine Chance mehr, den Eindruck aus der Niederlage gegen Nordmazedonien vor der Endrunde zu korrigieren. Wie in jeder Krise gibt es auch aus diesem 1:2 Profiteure. Die einen verabschiedeten sich am Mittwochabend laut hupend aus Duisburg, zwei andere waren gar nicht erst zugegen.