Vor 60 Jahren Geni Meier, Bobby Charlton und ein Flugzeugunglück – als YB das letzte Mal auf Manchester United traf

tbz

12.9.2018

Beim Flugzeugunglück in München 1958 kamen 23 Menschen ums Leben.
Beim Flugzeugunglück in München 1958 kamen 23 Menschen ums Leben.
Bild: Getty Images

Am 19. September treffen die Young Boys in der Gruppenphase der Champions League im Stade de Suisse auf Manchester United. Dieses Duell gab es vor 60 Jahren letztmals, kurz nachdem in München ein Flieger mit der englischen Mannschaft an Bord explodierte und acht Spieler starben.

6. Februar 1958, 15:03 Uhr. Der British-European-Airways-Flug 609 setzt am Flughafen München-Riem zum dritten Startversuch an. Nach zwei abgebrochenen Versuchen entscheiden sich Flugkapitän und Co-Pilot gegen eine Neujustierung der Triebwerke und führen die Maschine auf die Startbahn. An Bord: Die englische Fussballmannschaft Manchester United. Das Team ist auf dem Rückweg von Belgrad nach Manchester in München zwischengelandet und wird von Fans, Journalisten und Betreuern begleitet. Das Viertelfinal-Rückspiel im Europapokal der Landesmeister gegen Roter Stern Belgrad steckt immer noch in den Köpfen der Spieler. Dank des 3:3-Unentschiedens stehen die Engländer mit einem Gesamtscore von 5:4 im Halbfinale. Die Stimmung ist gut.

Dann passiert das Unglück. Die Maschine verliert beim Start zu viel Tempo und kann nicht erfolgreich abheben. Das Flugzeug des Typs AS 57 rast über die Startbahn hinaus und kracht mit voller Wucht in eine Garage, in der Benzin gelagert wird. Die Maschine explodiert. Von den 44 Menschen an Bord kommen 23 ums Leben, darunter acht Spieler von Manchester United. Zwei weitere werden so schwer verletzt, dass sie nie wieder Fussball spielen können.

Die mittlerweile als «Munich Air Disaster» bekannte Katastrophe zwingt Manchester United im Jahr 1958 beinahe zur Vereinsauflösung. Aber die Engländer halten zusammen, Jimmy Murphy übernimmt an der Seitenlinie für den schwerverletzten Matt Busby und stellt eine neue Mannschaft zusammen. In der Liga kann United aber nur noch ein Spiel gewinnen und schliesst die Saison 57/58 auf dem 9. Platz ab.

Eigentlich reicht das nicht aus für eine erneute Teilnahme am Europapokal der Landesmeister, aber die UEFA macht aufgrund des tragischen Unfalls eine Ausnahme und lädt Manchester United für die Folgesaison trotzdem wieder ein. In der ersten Runde wird ihnen der Schweizer Meister von 1958 zugelost. Dabei handelt es sich um ein gewisses Team aus Bern: Der BSC Young Boys.

Nur ein Freundschaftsspiel

Kurioserweise interveniert jedoch der englische Ligaverband und verweigert Manchester United die Teilnahme am Europapokal der Landesmeister, Grund: Der Klub ist im Jahr zuvor nicht englischer Meister geworden. Das Team aus Manchester akzeptiert den Entscheid widerwillig, will sich aber trotzdem mit dem Berner Sport Club messen und vereinbart zwei Freundschaftsspiele mit den Schweizern, eines in Bern und eines in Manchester.

Am 24. September 1958, also fast auf den Tag genau vor 60 Jahren, kommt es im Wankdorf zum grossen Aufeinandertreffen. Die Mannschaft aus Manchester reist mit Zug und Schiff an, die Fahrt dauert über zwei Tage. Das Spiel stellt den Höhepunkt der 60-Jahr-Feier der Young Boys dar und vor rund 20’000 Zuschauern stehen Fussballgrössen wie Geni Meier für YB und Bobby Charlton für United auf dem Platz. Anpfiff ist um 20:15 Uhr, die Musikgesellschaft Ostermundigen sorgt für die musikalische Unterhaltung. Auf dem Rasen gewinnt YB souverän mit 2:0.

Das Matchblatt von damals

Ein Flyer für die Partie YB – Manchester United aus dem Jahr 1958.
Ein Flyer für die Partie YB – Manchester United aus dem Jahr 1958.
Bild: ESPN / Andy Mitten
Den «neuen» FIAT gab es damals für nur 3'850 Franken – ein Schnäppchen.
Den «neuen» FIAT gab es damals für nur 3'850 Franken – ein Schnäppchen.
Bild: ESPN / Andy Mitten

«Die Berner Spieler junge Knaben zu nennen, ist lächerlich»

Eine Woche später findet das Rückspiel im Old Trafford statt, das Manchester United vor 30’000 Zuschauern klar mit 3:0 gewinnt. Die Berner können froh sein, dass es sich nur um zwei Freundschaftsspiele handelt. Sie ziehen im Europapokal der Landesmeister in die nächste Runde ein. Die englische Presse lobt die Schweizer Mannschaft, der «Guardian» schreibt am Tag danach: «Die Berner Spieler junge Knaben (Young Boys) zu nennen, ist lächerlich, denn sie müssen nichts mehr lernen».

60 Jahre später sind die jungen Knaben erneut Schweizer Meister und treffen am kommenden Mittwoch das erste Mal seit 1958 wieder auf Manchester United (live auf Teleclub). Dieses Mal hat der englische Verband keine Einwände gegen eine Champions-League-Teilnahme der «Red Devils» erhoben, auch wenn sie in der vergangenen Saison nicht Meister der heimischen Liga geworden sind. Die Zeiten haben sich geändert, den Europapokal gibt es so nicht mehr, das Wankdorf heisst nicht mehr Wankdorf und Fussballspieler aus Manchester trauen sich wieder in einen Flieger zu steigen.

Auch Geni Meier und Bobby Charlton stehen nicht mehr auf dem Platz, dafür aber Kevin Mbabu und Paul Pogba, denn Fussball wird immer noch gespielt, in Bern, in Manchester, in Belgrad – manche Dinge bleiben eben doch gleich. Und wer weiss, vielleicht hört man vor dem grossen Spiel im Stade de Suisse über die Lautsprecher ja noch etwas von der Musikgesellschaft Ostermundigen, die gibt es ja auch immer noch.

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