Dem Schweizer Nationalteam droht nach dem 3:3 gegen Deutschland der Abstieg aus der Liga A der Nations League und der Fall aus den Top Ten Europas im FIFA-Ranking. Das Fazit fällt dennoch positiv aus.
Nach dem 0:1 gegen Spanien hatte Vladimir Petkovic seine Mannschaft noch in den höchsten Tönen gelobt, obwohl sie praktisch chancenlos geblieben war. Nach dem 3:3 gegen Deutschland fiel die Analyse des Nationaltrainers zwar positiv, aber kritischer aus, obwohl sein Team wesentlich spektakulärer und erfolgreicher aufgetreten war. «Das Unentschieden tut gut, aber wir hätten es noch besser machen können.»
Es wirkte, als wolle Petkovic Gegensteuer geben. Die teils kritischen Kommentare nach dem Auftritt in Spanien hatten den SFV-Exponenten nicht gefallen. Und nach dem teilweise chaotischen, aber erfrischenden Auftritt in Köln schien es, als wolle der Nationaltrainer im Fall eines Anflugs von leiser Euphorie diese gleich wieder im Keim ersticken. «Billige Fehler» und «zu viele Geschenke» monierte Petkovic sowohl in der Defensive als auch in der Offensive.
1:1, 0:1, 3:3 lauteten die Ergebnisse der drei Duelle gegen Deutschland und Spanien, gegen Teams der Weltklasse. «Wir haben nicht weltklasse, aber sehr gut gespielt», sagte Petkovic. «Objektiv gesehen, sind wir aber immer noch ein bisschen weit weg von diesen Mannschaften.» Dass bei diesen auch die öffentliche Erwartungshaltung eine andere ist, wurde in diesen Tagen in Köln offensichtlich. Obwohl 2020 noch unbesiegt ist, stehen Joachim Löw und die deutsche Mannschaft stark in der Kritik.
Die Schweiz hingegen ist nach fünf Spielen 2020 noch ohne Sieg – trotzdem fällt ihr Fazit positiver aus, als es die nackten Zahlen vermuten lassen. Wie im September zeigten die Schweizer nach einem offensiv wenig inspirierten Auftritt (damals in der Ukraine) drei Tage später eine starke Reaktion. Erstmals seit dem Frühjahr 2019 und dem 3:3 gegen Dänemark trafen sie – die Duelle gegen Gibraltar ausgenommen – in einer Partie dreimal. Es hätten aber auch vier oder fünf Tore sein können.
Trotzdem steht die SFV-Auswahl vor den beiden Heimspielen im November gegen Spanien (in Basel) und die Ukraine (in Luzern) mit dem Rücken zur Wand. Mindestens vier Punkte, womöglich aber auch zwei Siege, sind nötig, will der Teilnehmer des Finalturniers 2019 den Abstieg aus der Liga A noch verhindern. Auch mit Blick auf das FIFA-Ranking wären Siege wichtig, die besten zehn europäischen Teams sind bei der Auslosung der WM-Qualifikation als Gruppenkopf gesetzt, derzeit belegt die SFV-Auswahl Rang 10. «Wir müssen im November das Glück erzwingen», forderte Petkovic.
Gelungene Rückkehr Shaqiris
Anlass zur Hoffnung gibt neben der Rückkehr einiger Verletzter auch die Reintegration von Xherdan Shaqiri in die Gruppe. Das Comeback des 84-fachen Internationalen war aufgrund seines positiven Corona-Tests kurz nach dem Einrücken zwar eines mit Hindernissen, dieses aber gelang. Die monatelangen Spekulationen über mentale Probleme, fehlende Motivation oder atmosphärische Störungen sind nun beendet.
Was Shaqiri der Mannschaft bringen kann, zeigte er in Köln in den ersten 45 Minuten. Der Liverpooler trat motiviert und inspiriert auf und deutete an, dass er noch immer der Einzige in der Offensive ist, der das gewisse Etwas hat. «Noch ist Xherdan physisch nicht auf seinem besten Level», sagte Petkovic. «Aber wenn er in Form ist, dann ist er ein Ausnahmetalent und kann in dieser Mannschaft viel bewegen.»
Einer der Gewinner war auch Mario Gavranovic. Gegen Deutschland zeigte der Stürmer von Dinamo Zagreb sein wohl bestes Länderspiel und traf zweimal, nachdem er bereits vor einer Woche im Testspiel in St. Gallen gegen Kroatien (1:2) ein Tor erzielt hatte. Mit zehn Treffern aus 25 Länderspielen weist der Tessiner die beste Torquote auf.
Der Exploit von Gavranovic war nötig für das positive Ergebnis in Köln. In der Offensive weist die SFV-Auswahl nicht die individuelle Klasse der anderen Teams auf, mit denen sie sich laut ihren Ansprüchen auf Augenhöhe bewegen will. Deutschland trat mit Kai Havertz, Timo Werner und Serge Gnabry an. Die drei zusammen weisen einen neunmal höheren Marktwert auf als das Schweizer Angriffstrio vom Dienstag.