Ein Schlusspfiff klaut Bellingham ein Tor und versetzt Spanien in Aufruhr. «Noch nie passiert», motzt Real-Coach Ancelotti. Von wegen! 1989 geschah dasselbe in Sion – und mündete in einem Skandal.
Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen
- Real Madrid wird in Valencia in der 99. Minute der Siegtreffer von Bellingham geklaut, weil der Schiri die Partie abpfeift, als der Ball bei einer Flanke noch in der Luft ist.
- Die spanischen Medien wüten. Man ist sich einig, dass es noch nie einen unpassenderen Zeitpunkt gegeben habe, um ein Spiel abzupfeifen.
- Schweizer Fussballfans wissen: Auch Schiri Klötzli hat 1989 ein Spiel abgepfiffen, als der Ball auf dem Weg ins Tor war. Was dann folgte, gehört bis heute zu den dunkelsten Stunden im Schweizer Fussball.
Real-Superstar Jude Bellingham köpft am Wochenende gegen Valencia in der 99. Minute zum 3:2 ein. Doch der Treffer zählt nicht mehr, weil Schiedsrichter Jesus Gil Manzano noch während der Ball in der Luft ist, abpfeift.
Die spanischen Medien wüten gegen den Schiedsrichter, schreiben von einem «historischen Skandal» und Real Madrid tobt. Selbst der ansonsten in sich ruhende und kaugummikauende Trainer-Legende Carlo Ancelotti enerviert sich. «Das so etwas passiert ist, habe ich noch nie gesehen. Es ist etwas noch nie Dagewenes geschehen!»
Wir Schweizer wissen aber: Ancelotti irrt. Denn am 7. Oktober 1989 passiert in unserer damaligen Nationalliga A quasi Identisches. Wettingens Martin Rueda erzielt in Sion in der Nachspielzeit den Ausgleich. Doch Schiedsrichter Bruno Klötzli pfeift das Spiel ab, als der Ball noch in der Luft ist.
Wettingens Bellingham von 1989 heisst Rueda
Als Rueda – sozusagen Wettingens Bellingham von 1989 – die Szene vom Wochenende sieht, kommen ihm automatisch die Bilder von damals wieder hoch. «Ich lupfte den Ball über Sion-Goalie Stephan Lehmann ins Tor, doch Schiedsrichter Klötzli hat nicht mehr hingeschaut und abgepfiffen. Lehmann ist daraufhin zu mir gerannt und hat mich provoziert», sagt Rueda zu blue Sport. Was dann passiert sei, würden ja alle wissen, so Rueda.
Klötzlis unglücklicher Schlusspfiff mündet im wohl grössten Skandal in der Schweizer Fussballgeschichte. Die Wettinger, die im Abstiegskampf stecken, sind ausser sich vor Wut und total von Sinnen. Sie jagen Klötzli über den Tourbillon-Rasen. Handgemenge, Tritte, Schläge. Die Schock-Bilder gehen um die Welt. Klötzli gelingt schliesslich die Flucht in die Kabine. «Wäre ich gestolpert, wäre ich mit Sicherheit im Krankenhaus gelandet», sagt er später.
Vier der Wettingen-Spieler werden daraufhin drakonisch gebüsst. Roger Kundert wurde wegen eines Tritts in den Hintern für 4 Monate gesperrt und musste 10'000 Franken Busse zahlen. Reto Baumgartner (Anklagepunkt: Kniestoss in Rücken) kassierte eine 10-monatige Sperre und 15'000 Fr. Busse. Martin Frei wegen eines Griffs ins Gesicht 8 Monate Sperre und 15'000 Fr. Busse. Und Alex Germann wurde für 1 Jahr gesperrt und musste 20'000 Fr. Busse bezahlen. Sein Vergehen? Fausthieb in Schulter und Bauch.
Der vermeintliche Siegtorschütze und heutige FCB-Assistenztrainer Rueda lässt sich zu keiner Tätlichkeit hinreissen und geht straffrei aus.
Längst vergangene Zeiten. Doch Klötzlis Fehlpfiff und seine fatalen Folgen sind bis heute eine der dunkelsten Stunden im Schweizer Fussball geblieben.
Bellingham sieht noch Rot
Der fragwürdige Schlusspfiff letztes Wochenende in Spanien endet vergleichsweise harmlos. Klar gibt's eine Rudelbildung um den Referee und Gemotze. Der verhinderte Siegtorschütze Bellingham sieht zudem noch Rot. Er soll dem Schiedsrichter mehrmals «es war verdammt noch mal Tor» zugerufen haben. Mehr anscheinend nicht. Ancelotti fassungslos: «Er hat ihn überhaupt nicht beleidigt.»