Nach der verpassten direkten Qualifikation läuft Italien Gefahr, zum zweiten Mal in Serie nicht bei einer WM-Endrunde dabei zu sein. Vor den Playoffs fordert Coach Mancini Gelassenheit.
Nach wenigen Monaten EM-Euphorie liegt Italien wieder am Fussball-Boden und fürchtet die nächsten Riesenblamage. Als die geschockten Europameister am Montagabend in Belfast die direkte WM-Qualifikation vermasselten und mit leeren Blicken vom Feld trotteten, schien es fast so, als sei Katar 2022 endgültig verspielt.
«Was für ein Albtraum», titelte die «Gazzetta dello Sport» am Dienstag. In Klammern ergänzte das Sportblatt dann korrekterweise: «Aber es ist noch nicht vorbei». Italien muss wie schon 2017 in die heiklen Playoffs um die WM-Teilnahme – nach den jüngsten Eindrücken der Azzurri ist die Angst vor dem erneuten Scheitern aber gross.
Schwere Gegner warten
In einer Mischung aus Trotz und Optimismus bemühte sich Nationalcoach Roberto Mancini, Gedanken an eine Wiederholung des Quali-Debakels von 2017 gegen Schweden wegzuwischen. Eine weitere Weltmeisterschaft ohne den viermaligen Champion? Nicht möglich, deutete Mancini an. «Wir werden nach Katar fahren – und vielleicht holen wir dann sogar den Titel», sagte der Trainer noch in der Nacht nach dem folgenschweren 0:0 in Nordirland, das der Schweiz nach einer 4:0-Gala gegen Bulgarien den Weg nach Katar ebnete.
Die Squadra Azzurra muss nun im März in die Playoffs, wo Gegner wie der ehemalige Europameister Portugal um Cristiano Ronaldo, die Polen mit Weltfussballer Robert Lewandowski und Angstgegner Schweden lauern. Für ein Happy End sind zwei Siege gegen zwei Teams notwendig, die italienischen Gegner werden nächste Woche ausgelost. Der Weg zur WM wird noch mal schwerer als 2017 als im K.o.-Format mit Hin- und Rückspiel gespielt wurde.
Hemmung im Herbst
Wie konnte es nur so weit kommen nach dem glänzenden EM-Sommer mit teils berauschenden Auftritten, mit federleichtem Spass-Fussball und einer verschworenen Einheit auf dem Platz? «Nach diesem Triumph hat uns irgendwas gehemmt», analysierte Abwehr-Routinier Leonardo Bonucci. Von den fünf Qualifikationspartien im Herbst gewann Italien nur noch eine gegen Litauen (5:0). Gegen Bulgarien (1:1), die Schweiz (0:0, 1:1) und nun Nordirland (0:0) gelangen lediglich Remis. Und nun hänge die WM «am seidenen Faden», schrieb der «Corriere dello Sport».
Dass Mancinis Mannschaft just gegen den direkten Rivalen Schweiz in beiden Spielen den Sieg vergab, weil Europas «Fussballer des Jahres» Jorginho jeweils einen Elfmeter verschoss – jüngst in Rom in der 90. Minute – macht das vorläufige Scheitern besonders bitter. «Jetzt stecken wir in diesem Schlamassel, weil wir eine Gruppe weggeworfen haben, die wir eigentlich schon sicher hatten», meinte Mancini. Hadern aber hilft nicht, das wissen die Italiener. «Wir müssen ruhig bleiben», forderte der Coach und gab sich «zutiefst zuversichtlich».
Tonis Ruf nach Veränderung
Diese Erkenntnis teilten nur wenige Beobachter und Experten nach dem Flop vom Montag – zumal das 0:0 angesichts der grossen Chancen der Nordiren sogar noch schmeichelhaft war für den Favoriten. Esprit, Ideen, Aufopferung: All das fehlte den Italienern im Windsor Park.
«Was für ein hässliches Italien», urteilte der frühere Weltmeister Luca Toni als Experte im TV-Sender Rai. «Es muss sich etwas ändern», forderte der Altmeister. «Ich weiss noch nicht was, aber etwas muss sich ändern.»
«Wir müssen die Freude wiederfinden, als Team gemeinsam auf den Platz zu gehen», forderte Bonucci. «Wenn du im Kopf leicht bist, dann machst du deine Chancen auch rein.» Vor der Abreise aus Belfast schickte Verteidiger Emerson noch mal eine Botschaft an die Tifosi: «Habt Vertrauen, wir schaffen es zur WM.»
SDA