Am 24. August 1963 erzielt der inzwischen verstorbene Timo Konietzka für Borussia Dortmund das erste Tor in der Geschichte der Bundesliga. Dieses ist umso legendärer, als es nicht dokumentiert ist.
Es geschieht Historisches und keiner hält es fest, das ist in der heutigen Zeit unvorstellbar. Doch genau das war vor 57 Jahren der Fall, als Konietzka für den Premieren-Treffer in der Bundesliga verantwortlich zeichnete. Zwar gab es im Stadion in Bremen eine Kamera, das ZDF übertrug aber erst ab der 50. Minute.
Was ist mit Fotos? Auch solche gibt es keine, da sich kein Fotograf hinter dem Tor der favorisierten Bremer positioniert hatte, obwohl Borussia Dortmund als Meister angereist war. Ausserdem wurde die Partie eine oder zwei Minuten zu früh angepfiffen, diesbezüglich gibt es widersprüchliche Angaben. Das gilt auch für den Zeitpunkt des Treffers. Waren es 35, 51 oder 58 Sekunden? Klar ist nur, dass es in der ersten Minute war.
Die ersten Anrufe kamen nach 10 Jahren
Und wie fiel das Tor? Konietzka umschrieb es folgendermassen: «Alfred 'Aki' Schmidt spielte den Ball zu Franz Brungs, der spielte raus auf Linksaussen zu Lothar Emmerich, der lief zur Torlinie und flankte. Ich brauchte nur noch den Fuss hinzuhalten, und der Ball war drin – nur 35 Sekunden nach dem Anpfiff!» Bemerkung am Rande: Aki Schmidt spielte gar nicht ...
Dieser Treffer war lange kaum ein Thema, weshalb Konietzka erst viel später klar wurde, dass er in die Geschichte der Bundesliga eingegangen war. «Nach etwa zehn Jahren kamen die ersten Anrufe der Journalisten», erinnerte er sich einst im Fussball-Magazin «11 Freunde». Insofern prägte diese Premiere sein Leben, obwohl er gemäss eigener Aussage viel schönere und spannendere Treffer geschossen habe, «nicht nur einschieben und du führst 1:0.» Er wurde jeweils als derjenige vorgestellt, der das erste Bundesliga-Tor erzielt hat.
«Richtig zugelangt hat er, der Lorenz»
Konietzka hatte einiges Geld geboten, um an einen Schnappschuss des historischen Momentes zu gelangen. Immerhin gibt es ein Bild vom Torjubel, das Konietzka im Hintergrund zeigt. Ausserdem stellten die Beteiligten 2003 im Weser-Stadion den Spielzug nach. «Es dauerte sehr lange, bis wir das im Kasten hatten», erzählte Konietzka dem Magazin. Dabei trat ihm Max Lorenz, der anno dazumal zu spät gekommen war, erneut voll in die Achillessehne. «Richtig zugelangt hat er, der Lorenz, der Apparat. Wie damals.»
Als Konietzka den legendären Treffer schoss, hiess er noch Friedhelm. Nachdem er sich jedoch für die Bundeswehr einen Bürstenhaarschnitt zugelegt hatte, fand der damalige Mitspieler Jockel Bracht, dass er wie der sowjetische General Timoschenko aussehe. Danach war er für alle nur noch der Timo, worauf er diesen Namen 1985 offiziell annahm.
Dreimal in Serie Meister mit dem FCZ
Konietzka erzielte damals nicht nur das 1:0, sondern auch das letzte Tor zum 2:3. Überhaupt kann sich seine Quote in der Bundesliga mit 72 Treffern in 100 Partien mehr als sehen lassen, umso mehr, als er keine Penaltys und Freistösse schoss. Der BVB hatte ihn 1958 entdeckt, als er neben seiner Arbeit als Bergmann in einem Steinkohlebergwerk beim VfB 08 Lünen spielte. «Durch den Fussball kam ich aus dem Bergwerk zu meinem Traumverein und konnte um die Welt reisen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen», so Konietzka in einem Interview.
1965 wechselte er zu 1860 München und erzielte für die Löwen ebenfalls in der ersten Minute das erste Tor der neuen Saison. Am Ende resultierte sein zweiter deutscher Meistertitel. Am 8. Oktober 1966 wurde Konietzka für sechs Monate gesperrt, weil er den Schiedsrichter attackiert haben soll. 1967 wechselte er im Alter von 29 Jahren überraschend in die Schweiz zum damaligen NLA-Absteiger Winterthur, mit dem er sofort wieder aufstieg. 1971 wurde er Spieltrainer beim FC Zürich, worauf er zwei Jahre später die Karriere beendete. Fortan war er nur noch Trainer. Mit dem FCZ stemmte er von 1974 bis 1976 dreimal in Serie den Meisterpokal in die Höhe, 1977 schaffte er mit den Zürchern im damaligen Europacup der Landesmeister den Sprung in den Halbfinal. 1982 wurde er mit den Grasshoppers Schweizer Meister.
«Ich habe so viel Glück gehabt im Leben»
1988 übernahm Konietzka die Schweizer Staatsbürgschaft. Er lernte hierzulande auch Ehefrau Claudia kennen. Die beiden führten zusammen in Brunnen am Vierwaldstättersee das Gasthaus «Ochsen». «Ich habe so viel Glück gehabt im Leben, und das alles nur, weil ich in der Bundesliga vom Platz geflogen bin», sagte er einmal. Das Glück verliess ihn allerdings, als er unheilbar erkrankte. Am 12. März 2012 schied er mit Hilfe der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit aus dem Leben. Auch wegen seinem legendären Tor am 24. August 1963 wird er aber immer in Erinnerung bleiben.