Jürgen Klinsmann rechnet in einem «Tagebuch» mit allem und jedem bei Hertha BSC ab. Derweil machen sich die Spieler über ihren Ex-Trainer lustig. Dabei brauchen die Berliner im Abstiegskampf eigentlich vor allem eines: Konzentration.
Es sind waschechte Chaos-Tage, welche Hertha BSC derzeit erlebt. Dabei träumte der deutsche Hauptstadtklub nach der Übernahme von Investor Lars Windhorst vor wenigen Wochen noch davon, mittelfristig um den Meistertitel mitzuspielen. Nun gelangen brisante interne Dokumente an die Öffentlichkeit – und das Team steckt noch immer mitten im Abstiegskampf.
Jürgen Klinsmann, der am 11. Februar als Trainer zurücktrat – nur 76 Tage nach seinem Amtsantritt –, hat in einem 22-seitigen Protokoll seine zehn Wochen bei der Hertha dokumentiert. Und darin nicht nur mit der Klubführung abgerechnet, sondern auch mit vielen Spielern, die er allesamt bewertet hat.
Auffällig in dieser Bewertung sind die sich wiederholenden Worte «kein Mehrwert», mit denen Klinsmann sagen will, dass der Spieler verkauft werden sollte. Wie auf Videoaufnahmen zu hören ist, spotten die Hertha-Profis im Donnerstag-Training über die Worte ihres Ex-Coaches.
Goalie Thomas Kraft etwa, der in Klinsmanns Tagebuch als «ständig krank oder verletzt, keinen Mehrwert mehr, Vertrag auslaufen lassen» beschrieben wird, antwortet nach einem Lob für eine Parade: «Ich muss doch den Mehrwert steigern! Haha!» Seine Teamkollegen brechen in Gelächter aus.
Galgenhumor im Hertha-Training, dabei müssen die Berliner alles daran setzen, um schnellstmöglich aus dem Abstiegssumpf rauszukommen. Am Freitag kommt es zum Kellerduell mit Fortuna Düsseldorf (20:30 Uhr live auf Teleclub).
Matthäus: «Zuerst kommt Jürgen, dann Jürgen, dann noch mal Jürgen»
Klinsmanns früherer Assistent Alexander Nouri, der das Team interimistisch coacht, hat den Spielern einen Maulkorb verpasst. Sie dürfen bis auf Weiteres keine Interviews mehr geben. «Wir wollen versuchen, den Spagat hinzukriegen, den Fokus auf das schwere Auswärtsspiel zu richten», sagt Geschäftsführer Michael Preetz, dem in Klinsmanns Dokumenten unter anderem «jahrelange katastrophale Versäumnisse» und «eine katastrophale aktuelle Kaderplanung» vorgeworfen werden.
Die Konzentration aufs Sportliche zu richten – leichter gesagt als getan. Mehr als zwei Wochen nach dem völlig überraschenden Rücktritt von Klinsmann dreht sich in Berlin weiter alles um den Ex-Bundestrainer. Lothar Matthäus unterstellt seinem früheren Mitspieler aufgrund der an die Öffentlichkeit geratenen Aufzeichnungen Egoismus. «Er ist eben, wie er ist. Zuerst kommt Jürgen, dann Jürgen, dann noch mal Jürgen und dann der Rest. Er sucht keine Schuld bei sich, sondern nur bei den anderen», sagt der deutsche Rekord-Nationalspieler bei Sky.
Nach dem blamablen 0:5 letzte Woche zu Hause gegen Köln ist die Stimmung bei der Hertha eigentlich am Tiefpunkt angekommen. Sollte auf das nächste Nachbeben der Kurzzeit-Ära von Klinsmann nun der neuerliche sportliche Absturz folgen, wäre der Vorsprung auf den derzeitigen Tabellen-16. aus Düsseldorf auf nur noch drei Punkte geschrumpft. Fortuna-Coach Uwe Rösler rechnet sich wohl nicht zuletzt auch wegen der Schlagzeilen abseits des Platzes gute Chancen aus: «Wir wollen die Hertha unbedingt mit unten reinziehen.»
Fr 28.02. 20:10 - 23:40 ∙ blue Sport Live ∙ Live Fussball: Fortuna Düsseldorf - Hertha Berlin
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