Kommentar Nati-Coach Petkovic darf sich trotz der Niederlage als Gewinner fühlen

Aus Porto: Patrick Lämmle

6.6.2019

Vladimir Petkovic muss sich nach der Halbfinal-Niederlage keine Vorwürfe machen.
Vladimir Petkovic muss sich nach der Halbfinal-Niederlage keine Vorwürfe machen.
Bild: Keystone

Vladimir Petkovic weht seit Amtsbeginn ein rauer Wind entgegen. Wenn immer die Schweiz verliert, steht der Nati-Coach im Kreuzfeuer der Kritiker. Nach der 1:3-Niederlage gegen Portugal ist das für einmal nicht der Fall.

Mit der Nichtnomination von Captain Stephan Lichtsteiner ging Vladimir Petkovic bereits vor Turnierbeginn ein grosses Risiko ein. 105 Länderspiele hat der Arsenal-Profi auf dem Buckel und als Nati-Captain war er über die Jahre hinweg so etwas wie der verlängerte Arm des Trainers. Doch Lichtsteiner hat sich in der abgelaufenen Saison bei den «Gunners» auf der Ersatzbank – teils auch auf der Tribüne – den Hintern wund gesessen. Verständlich also, dass Petkovic den 35-Jährigen zuhause liess. Dass nun nach der Halbfinal-Niederlage keine Polemik um diese Personalie entsteht, ist der herausragenden Leistung von Kevin Mbabu zu verdanken.



Der künftige Wolfsburger bringt ähnliche Qualitäten mit wie Lichtsteiner, ist mutig, lauffreudig und kompromisslos in den Zweikämpfen. Doch in drei Punkten hat er dem Routinier bereits etwas voraus. Mbabu ist noch einen Tick schneller, seine Zuspiele in der Gefahrenzone sind präziser und er ist elf Jahre jünger als sein Vorgänger. Keine Frage, ihm gehört die Zukunft und es wird für Lichtsteiner nicht einfach sein, die Hierarchie wieder auf den Kopf zu stellen.

Auch in der Aktion, die zum Freistoss führte, den Ronaldo zum 1:0 verwandelte, hat Mbabu alles richtig gemacht. Er trifft bei seinem Tackling nur den Ball und nicht Ronaldo.
Auch in der Aktion, die zum Freistoss führte, den Ronaldo zum 1:0 verwandelte, hat Mbabu alles richtig gemacht. Er trifft bei seinem Tackling nur den Ball und nicht Ronaldo.
Bild: Keystone

Petkovic hat Shaqiri vertraut – Shaqiri hat geliefert

Goldrichtig war auch Petkovics Entscheid, Shaqiri von Beginn an auflaufen zu lassen. Viele zweifelten daran, dass er so kurz nach dem Gewinn der Champions League das nötige Feuer für die Aufgabe gegen Portugal mitbringen würde. Das Gegenteil war der Fall. Shaqiri sprühte nur so vor Spielwitz und leitete fast alle Schweizer Angriffe ein.

Zwar hat die Schweiz einmal mehr einen Exploit verpasst, doch die Leistung insgesamt hat gepasst. Die Schweizer wurden von ihrem Coach richtig eingestellt, einen Vorwurf kann man der Mannschaft nicht machen. Und somit ist auch Petkovic aus der Schusslinie.



Mehr noch: Alle die nach dem 3:3 im EM-Quali-Spiel gegen Dänemark Petkovic für den verspielten Sieg verantwortlich gemacht haben – er hatte den angeschlagenen Granit Xhaka eine knappe Viertelstunde vor Schluss beim Stand von 3:0 ausgewechselt – wurden eines besseren belehrt. Auch mit Xhaka auf dem Platz kann man in den Schlussminuten untergehen. Den dritten Treffer der Portugiesen hat der Captain mit einem kläglichen Fehlpass gar höchstpersönlich eingeleitet.

Und dass der sonst so sichere Rückhalt Yann Sommer einen schlechten Tag einzog, dafür kann Petkovic nun wirklich nichts. Und dafür, dass er keinen Ronaldo im Team hat, erst recht nicht.

Dreimal musste sich Sommer (links) von Cristiano Ronaldo bezwingen lassen, nicht alle Gegentreffer waren unhaltbar.
Dreimal musste sich Sommer (links) von Cristiano Ronaldo bezwingen lassen, nicht alle Gegentreffer waren unhaltbar.
Bild: Keystone

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