Vor zehn Jahren wird die Schweizer U17-Nationalmannschaft Weltmeister. Nicht alle damaligen Junioren nutzen die Ausgangslage zu einer grossen Karriere. Kasami und Kiassumbua werden immerhin Profis.
Von den 21 Schweizer U17-Junioren, die am Tag nach dem 1:0-Finalsieg gegen Nigeria von Hunderten von Fans und auch von Funktionären und Politikern am Flughafen Zürich-Kloten mit viel Pomp empfangen worden waren, haben sich nur drei dauerhaft in der Schweizer A-Nationalmannschaft etabliert: Haris Seferovic, der an jenem schwül-heissen Abend des 15. November 2009 die Schweizer in Nigerias Hauptstadt Abuja mit seinem Kopfball zu U17-Weltmeistern machte, Ricardo Rodriguez, der stürmende Linksverteidiger, und Granit Xhaka, der Mittelfeldspieler. Ein weiterer, Nassim Ben Khalifa, ist kurzzeitig unter Ottmar Hitzfeld im Nationalteam aufgetaucht, und Frédéric Veseli, der Captain jener U17-Auswahl, wurde zumindest für Albanien zum Internationalen.
Überrascht darüber ist Servettes Torhüter Joël Kiassumbua, der in Nigeria hinter Benjamin Siegrist Ersatztorhüter war, nicht: «Beim SFV haben sie uns damals vorausgesagt, dass vielleicht nur zwei oder drei von uns sich auf dem höchsten Niveau durchsetzen würden», sagte der 27-Jährige gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Pajtim Kasami ist einer, der sich an die Spitze kämpfte, sich aber nicht ganz oben halten konnte. Der vielseitige Mittelfeldspieler des FC Sion hat in den höchsten Ligen der Schweiz, Italiens, Englands und Griechenlands fast 200 Spiele absolviert. Für Olympiakos Piräus lief Kasami auch in der Champions League auf. Zum Kreis des Nationalteams gehört er seit über drei Jahren aber kaum noch, Coach Vladimir Petkovic setzt ihn meist auf Pikett. Wie um zu dokumentieren: Kasami ist nahe dran, aber doch nicht richtig dabei.
«Jeder Spieler hat seinen eigenen Karriereverlauf», so Kasami. «Ich habe eigentlich schon eine ganze Karriere hinter mir, obwohl ich noch jung bin. Aber ich bin überzeugt, dass ich auf ein höheres Niveau kommen kann. Es gehört zu meinem Charakter, dass ich mich nie zufrieden gebe und mir hohe Ziele setze.»
Kasami und Kiassumbua stehen regelmässig in Kontakt mit Xhaka, Rodriguez und Seferovic, dem Trio, das es geschafft hat. Arsenal, Milan, Benfica. Das sind die Hausnummern der drei. «Ich bin sehr glücklich für sie», sagt Kasami. Aber Kiassumbua meint auch: «Wenn wir uns treffen, reden wir manchmal kurz über die U17. Aber es liegt halt weit zurück. Wir sind erwachsen geworden seither.» Man sei zu Männern gereift, gibt Kasami zu bedenken. «Dieser Titel ist eine schöne Sache. Aber die Zeit geht vorbei.»
«Titel hatte für die Karriere nichts zu bedeuten»
Es steht keine Verbitterung hinter diesen Aussagen. Aber Kiassumbua und Kasami wollen zu bedenken geben, dass es sich damals halt doch «nur um Junioren-Fussball» gehandelt habe. «Wir dürfen stolz sein, dass wir diesen Titel geholt haben. Aber für die Karriere hatte es nichts zu bedeuten. Zwar wurden fast alle nach der Rückkehr von der U17-WM in die erste Mannschaft ihrer Klubs integriert, aber mit ganz unterschiedlichem Erfolg», so Kasami.
Die Schere ging tatsächlich weit auf. Xhaka unterschrieb vor drei Jahren bei Arsenal einen Millionen schweren Vertrag, während Kofi Nimeley im gleichen Sommer seine Karriere als Erstliga-Spieler beendete. Auch Robin Vecchi schaffte es nicht zum Profi und spielt heute nicht mehr.
Kiassumbua ist bei Super-League-Aufsteiger Servette zwar nur die Nummer 2, kann aber mit Fussball immerhin seinen Lebensunterhalt verdienen. «Ich bin stolz darauf, dass Fussball zu meinem Beruf geworden ist. Ich spiele in der Super League, hatte Einsätze in der Europa League (mit Lugano – Red.) und bin Nationalspieler des Kongo.» Die Ersatzbank des Stade de Genève ist nicht der Rasen des Emirates in London oder des Giuseppe Meazza in Mailand. Aber Arbeitsplätze im Profi-Fussball gibt es wenige – besonders im Verhältnis zu den vielen Spielern, die rund um den Globus diesen Traum hegen. Für Kiassumbua ist der Traum auch ohne Champions League oder WM-Endrunde wahr geworden.
Die U17-Weltmeister von 2009:
Name, Position, Klub 2009, Klub 2019, Anzahl A-Länderspiele:
Benjamin Siegrist, Torhüter, Aston Villa, Dundee United (2. Div./SCO), 0
Joël Kiassumbua, Torhüter, Luzern, Servette, 5 (für DR Kongo)
Raphael Spiegel, Torhüter GC, Winterthur, 0
Charyl Chappuis, Vert., GC, Muangthong (1. Div./THA), 20 (für Thailand)
André Gonçalves, Verteidiger, FC Zürich, Linth 04 (1. Liga), 0
Sead Hajrovic, Verteidiger, Arsenal, Winterthur, 0
Janick Kamber, Verteidiger, Basel, Neuchâtel Xamax, 0
Bruno Martignoni, Verteidiger, Locarno, Chiasso, 0
Ricardo Rodriguez, Verteidiger, FC Zürich, Milan, 67
Robin Vecchi, Verteidiger, Basel – (Rücktritt 2014), 0
Frédéric Veseli, Verteidiger, Man City, Empoli (2. Div./ITA), 22 (für Albanien)
Oliver Buff, Mittelfeldspieler, FC Zürich, GC, 0
Pajtim Kasami, Mittelfeldspieler, Lazio Rom, Sion, 12
Maik Nakic, Mittelfeldspieler Sion – (Rücktritt 2016), 0
Kofi Nimeley, Mittelfeldspieler, Basel – (Rücktritt 2016), 0
Matteo Tosetti, Mittelfeldspieler, Locarno, Thun, 0
Granit Xhaka, Mittelfeldspieler, Basel, Arsenal, 78
Nassim Ben Khalifa, Stürmer, GC, GC, 4
Haris Seferovic, Stürmer, GC, Benfica Lissabon, 59
Igor Mijatovic, Stürmer, Bellinzona, GC Biachesi (nicht mehr Profi s. 2016), 0
Roman Buess, Stürmer, Basel, Winterthur, 0