Wieder einmal wird Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp in einem Fussball-Stadion durch ein Plakat mit seinem Kopf im Fadenkreuz verunglimpft. Doch diesmal stellen sich zahlreiche Anhänger dagegen. Jetzt ermittelt der DFB.
Max Eberl schämte sich für «50 Hornochsen», doch sein Verein setzte am Samstag auch ein bemerkenswertes Signal für Zivilcourage und gegen Hass in Fussball-Stadien. «Dieses Zeichen vieler Menschen gegen die geistige Umnachtung weniger Idioten ist grösser als der gesäte Hass», lobte Alexander Rosen, der Direktor Profi-Fussball von Mönchengladbachs Gegner 1899 Hoffenheim, nach einem 1:1, das kurz vor dem Abbruch stand und nach dem nur am Rande über Fussball gesprochen wurde.
Als in der Gladbacher Nordkurve der Kopf von Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp auf einem Plakat in einem Fadenkreuz hochgehalten wurde, positionierten sich Fans, Spieler und Funktionäre umgehend. In der Kurve waren «Ultras raus»-Gesänge und laute Pfiffe zu hören. Manager Eberl und Kapitän Lars Stindl gingen zur Beschwichtigung in die Kurve, Schiedsrichter Felix Brych unterbrach die Partie bis zum Abhängen des Plakats. «Ich habe gesagt, dass ich erst weiterspiele, wenn das Plakat nicht mehr zu sehen ist», bestätigte Brych.
DFB-Vizepräsident Rainer Koch gratulierte dem Referee ausdrücklich für die Spielunterbrechung. «Grosser Dank und Respekt für FIFA-Schiedsrichter Felix Brych, der das Bundesligaspiel Borussia Mönchengladbach gegen TSG 1899 Hoffenheim gestern in der 50. Minute solange unterbrach, bis ein von Ultras gezeigtes Fadenkreuz mit dem Gesicht von Dietmar Hopp aus dem Block entfernt worden ist», schrieb Koch am Sonntagmorgen auf seiner Facebook-Seite. Es müsse «endlich Schluss sein mit menschenverachtenden Gewaltaufrufen».
Der Kontrollausschuss des Deutschen Fussball-Bundes wird erwartungsgemäss ein Ermittlungsverfahren einleiten, wie der DFB am Sonntag mitteilte. Für Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann ist das Plakat «schon unter Morddrohung» zu führen. «Ich habe gesagt: Wenn das Plakat nicht verschwindet, gehen wir heim», sagte Trainer Alfred Schreuder: «Dann können sie die drei Punkte haben.» Seine Spieler wären dieser Anweisung wohl gefolgt. «Wenn das Plakat nicht runtergegangen wäre, hätten wir aufgehört zu spielen», sagte Abwehrspieler Benjamin Hübner: «Da muss man dann ein Zeichen setzen.»
Heizte «falscher Kontext» die Gemüter zusätzlich an?
Das setzten im Endeffekt die Gladbacher Fans. Auch, wenn es unterschiedliche Deutungen gab. Laut der Fanhilfe Mönchengladbach habe es die Pfiffe bei den Durchsagen von Stadionsprecher Torsten Knippertz gegeben, weil dieser seine Mahnung mit dem Verweis auf eine Gedenkminute vor dem Spiel einleitete. Knippertz habe die Aktion «völlig falsch in einen Kontext mit Hanau» gesetzt, twitterte die Fanhilfe: «Das hat die Kurve falsch verstanden und deshalb gepfiffen.» Alles sei ein «Missverständnis».
Doch den Verweis auf die Schweigeminute für die Opfer der mutmasslich rassistischen Anschläge von Hanau wählten wegen der Klammer Respekt und Toleranz einige Beteiligte. «Vor dem Spiel machen wir eine Schweigeminute, und dann sehen wir solche Sachen», sagte Schreuder. Eberl erklärte: «Wir haben vor dem Spiel ein klares Statement gesetzt. Wir sind gegen Rassismus und Ausgrenzung. Und dann müssen 50 Hornochsen so ein Plakat hochhalten. Dafür schäme ich mich.»
Doch am Ende stand auch das positive Zeichen. «Grosses Kompliment an Max und die Zuschauer», sagte Schreuder. «Max und Lars Stindl haben Zeichen gesetzt», sagte Rosen: «Und mussten sich vor der Kurve noch beschimpfen lassen.» Da stand der Gladbacher Manager aber drüber. «Was ich da gesagt habe, ist auch nicht jugendfrei», sagte Eberl: «Aber was soll ich mit diesen Menschen machen?»
Letztlich lobte Eberl, «dass 99 Prozent der Zuschauer gezeigt haben, dass sie damit nichts zu tun haben wollen». Und bat gleich um Mithilfe bei der Identifizierung der Täter. «Sie sind feige, verstecken sich unter der Fahne, ziehen Masken an und verschwinden in der Masse», sagte er: «Natürlich hoffen wir, das wir diese Menschen finden und ausschliessen. Und wenn nicht wir sie finden, dann vielleicht andere in der Fankurve. Und dann, bei aller Ehre, die es in der Fanszene gibt, sagen: Der war es! Wir haben in Münster gesehen, dass so etwas möglich ist.» Dort hatten bei einem Drittliga-Spiel Fans einen anderen Anhänger, der Affenlaute gerufen hatte, den Ordnungskräften gemeldet.
Sportlich war durch das 1:1 von Bundesliga-Debütant Lucas Ribeiro (90.+2) nach dem Tor von Matthias Ginter (11.) Gladbachs imposante Heimserie nach acht Siegen gerissen. Doch darüber sprach am Samstagabend kaum jemand.