Leverkusen startete schwach in die neue Saison, spätestens nach der 2:3-Pleite gegen den FCZ in der Europa League schienen die Tage von Heiko Herrlich gezählt. Doch Bayer-Sportdirektor Rudi Völler hielt an seinem Trainer fest. Jetzt wird er dafür belohnt.
Als Leverkusen heute vor einer Woche in Zürich gastierte, lag man in der Bundesliga auf Platz 13, hatte nur 8 Punkte aus 8 Spielen geholt, wies ein Torverhältnis von 9:15 auf und hatte nur zwei Punkte Abstand auf den Relegationsplatz. Immerhin lief es bis zu diesem Zeitpunkt in der Europa League rund – auswärts siegte man 3:2 gegen Ludogorets, zuhause bezwang man AEK Larnaka mit 4:2. Doch in Zürich kassierte man trotz 2:1-Führung eine Niederlage. In Deutschen Medien wurden bereits mögliche Nachfolger für Heiko Herrlich gehandelt.
Drei Tage später stand Herrlich allerdings immer noch an der Seitenlinie. Was dann folgte, hätte kaum jemand für möglich gehalten – Leverkusen gewann auswärts bei Werder Bremen, zu diesem Zeitpunkt Tabellen-Dritter, mit 6:2. Bayer-Boss Rudi Völler verging die gute Laune nach dem Sieg aber postwendend, dies weil weiter über den Trainer und dessen Zukunft diskutiert wurde. «Das ist eine Sauerei», polterte Völler und stellte klar, dass Herrlich «definitiv nicht» entlassen werde.
Wiederum drei Tage später musste Leverkusen am Mittwoch Abend im DFB-Pokal in Gladbach, seit vergangenem Wochenende Tabellendritter in der Bundesliga, antreten. Und es sollte ein Spiel werden, an das man sich noch lange erinnern wird – Bayer überrante die «Fohlen» und feierte einen 5:0-Kantersieg im Borussia Park. Die Reise von der Hölle in den Himmel dauerte für Leverkusen und Coach Herrlich nur sechs Tage.
Wenn sich Vertrauen auszahlt
Es ist eines dieser wunderbaren Beispiele, das zeigt, dass man den Trainer nach ein paar schwachen Auftritten nicht immer gleich entlassen muss. Wenn Klub-Bosse ihren Trainern in einer solchen Phase Vertrauen schenken, dann zahlt sich das aus. Nicht immer, aber oft. Medienschaffende lassen sich oft von den Resultaten leiten, doch Völler ist viel näher dran an der Mannschaft, fühlt den Puls, kann sich ein Bild vom Innenleben machen und so erkennen, ob es tatsächlich neue Impulse braucht. Neue Impulse, das bedeutet in aller Regel, dass der Trainer gehen muss. Völler sah offenbar keinen Handlungsbedarf. Wie es scheint, völlig zu Recht.
Für den Mut, trotz des öffentlichen Drucks und der sich abzeichnenden sportlichen Misere, an Heiko Herrlich festzuhalten, verdient sich der Sportdirektor Respekt. Geduld zu bewahren und an etwas zu glauben, an das Aussenstehende nicht mehr glaubten, nämlich dass Leverkusen unter Herrlich den Turnaround schaffen kann, ist in der heutigen Zeit alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Aber Achtung, im Fussball kann es schnell gehen. Sollte Leverkusen am Samstag gegen Hoffenheim verlieren, kommende Woche gegen Zürich nicht überzeugen und bei Leipzig verlieren, so könnten die üblichen Gesetze doch noch greifen…