Murat Yakin «Ruefers Kritik an Xhaka werte ich auch als Angriff auf mich»

lbe

10.2.2023

«Mit diesen Spielern an diesem Tag konnten wir nicht gegen ein sehr starkes Portugal gewinnen», sagt Murat Yakin mit Blick auf das WM-Aus in Katar.
«Mit diesen Spielern an diesem Tag konnten wir nicht gegen ein sehr starkes Portugal gewinnen», sagt Murat Yakin mit Blick auf das WM-Aus in Katar.
Bild: Imago

Gut zwei Monate nach der 1:6-Klatsche im WM-Achtelfinal gegen Portugal blickt Nati-Trainer Murat Yakin zurück und verrät, was er sich nachträglich vorwirft.

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Für Murat Yakin und die Schweizer Nati endet das WM-Abenteuer in Katar mit der deftigen Achtelfinal-Pleite gegen Portugal. Das 1:6 überschattet die Siege in der Gruppenphase über Kamerun und Serbien und weckt Kritik an Trainer und Team. Rund zwei Monate später nimmt Murat Yakin in einem Interview mit dem «Blick» ausführlich Stellung.

Zum Vorwurf, ohne ein echtes Back-up für Rechtsverteidiger Silvan Widmer nach Katar angereist zu sein, sagt Yakin: «Erstens haben Jordan (Lotomba) und Kevin (Mbabu) bis vor der WM nicht oder aus meiner Sicht nicht gut genug gespielt. Zweitens stimmt auch nicht, dass wir keinen Ersatz für Widmer dabei hatten: Edimilson spielte bei Mainz ein paarmal auf dieser Position – und zwar überzeugend. Und auch Cömert kann rechts hinten spielen.»

Auch die Systemumstellung gegen Portugal – ausgelöst durch Widmers kurzfristigen Ausfall – wurde in der Öffentlichkeit kritisch beäugt und schien gar bei den Spielern Thema zu sein. «Der Trainer macht die Taktik. Wir haben 1:6 verloren. Ich denke, das sagt alles», wurde etwa Haris Seferovic nach dem besiegelten WM-Aus zitiert.

«Drei, vier Tage nach dem Aus hat mir Haris eine Nachricht geschickt. Er hat geschrieben, dass er die Polemik, die er ausgelöst habe, nicht verstehen würde und dass er es nicht so gemeint habe. Wahrscheinlich hat er sich unglücklich ausgedrückt», stellt Yakin nun klar.

Eine «Mission Impossible» gegen Portugal?

Zudem gibt er preis, dass er den kurzfristigen Systemwechsel zuerst mit den direkt betroffenen Spielern besprochen hatte. «Ich habe mich zuerst mit Akanji und den Defensivspielern, dann mit Freuler und Sow ausgetauscht, und erst dann den Rest des Teams involviert.»

Allfällig geäusserte Kritik nimmt der Coach seinen Schützlingen aber ohnehin nicht übel: «Ganz und gar nicht. Ich hätte ja nach der Niederlage auf dem Platz alle Spieler zusammennehmen und ihnen eintrichtern können, gegen aussen positiv zu bleiben. Doch soll man das machen? Direkt nach einem 1:6 sind Sportler aufgewühlt, sauer, emotional, sie werden kritisch gefragt und suchen Erklärungen. Das ist normal.»

Mittlerweile ist Yakin überzeugt, dass «wir mit diesen Spielern an diesem Tag nicht gegen ein sehr starkes Portugal gewinnen konnten – egal in welchem System. Es war uns nicht möglich, die dazu nötige Intensität und Laufleistung zu bringen.» Das sehe man auch daran, dass die Schweizer Spieler rund zehn Kilometer weniger gelaufen sind als ihre Gegenspieler.

Die Startelf-Nomination von Sommer und Schär als Fehler

Hat nach dem emotionalen Serbien-Spiel die Frische gefehlt? «Natürlich haben die Spiele gegen Kamerun und Brasilien körperlich viel Energie gekostet, gegen Serbien kam noch das ganze Drumherum dazu», sagt Yakin, unterstreicht aber: «Bis zu diesem Spiel ist alles wie geplant und perfekt gelaufen. In den Tagen danach war es nicht mehr dasselbe. Danach war ein bisschen die Luft weg.»

Die Gründe dafür seien aber andere. «Wir hatten etwa zehn Spieler, welche in Katar mit einer Grippe zu kämpfen hatten. Yann Sommer, Fabian Schär, Nico Elvedi und Silvan Widmer hatten zeitweise sehr starke Symptome. Ich werfe mir vor, dass ich da zu wenig konsequent war. Ich hätte sie alle schützen müssen», bedauert Yakin.

Rückblickend hätte er im Achtelfinal deshalb nicht mehr auf Sommer und Schär gesetzt. «Schär war nach 20 Minuten platt, Sommer litt davor vier Tage an einer Grippe. Dass sie spielen wollten und deshalb grünes Licht gegeben haben, ist nachvollziehbar. Welcher Fussballer will nicht an einem WM-Achtelfinal auf dem Platz stehen?»

Deshalb macht Yakin diesbezüglich nicht den Spielern, sondern sich selbst einen Vorwurf. «Ich habe die Aufstellung gemacht. In diesem Fall hat aber auch die Kommunikation unter uns nicht optimal gepasst. (...) Es war alles sehr hektisch an diesem Tag. Widmer musste am Morgen Forfait erklären, zu viel hat sich auf ihn konzentriert.»

«Spieler wie Xhaka reizen mich»

Definitiv keinen Vorwurf macht sich Yakin in der Captainfrage. «Ich will hier klarstellen, dass Granit unser Captain ist und sein wird. Es gibt keinen anderen. Er ist der richtige Captain und geht teamintern und auf dem Platz als Leader voran. Die Mitspieler vertrauen ihm und schützen ihn. Völlig zu Recht», sagt Yakin und hält beispielsweise von der harschen Kritik von SRF-Kommentator Sascha Ruefer wenig.

«Ruefers Kritik geht mir zu weit. Ich werte sie auch als Angriff auf mich, weil ich entscheide, wer unser Captain ist. Es ist gut, dass nicht er als Kommentator bestimmen kann, wer Captain der Nati ist. Und es ist auch gut, dass ich nicht als Nati-Trainer bestimmen kann, wer unsere Spiele beim Schweizer Fernsehen kommentieren soll», so der 48-Jährige.

Xhaka sei «ein Typ, ein Charakter. Das gewichte ich stärker, als dass er in einzelnen Situationen emotional handelt», erklärt der Nati-Coach und fügt an: «Wegen solcher Spieler bin ich auch gerne Trainer. Auch wenn sie mich konstant fordern, solche Spieler reizen mich. Ich weiss, wovon ich rede: Hakan ist seit 44 Jahren mein Bruder (lacht)