Rubiales forderte Hilfe von Hermoso «Sie nennen mich einen Stalker und Vergewaltiger»

Syl Battistuzzi

11.10.2023

Jenni Hermoso bei einer Zeremonie in Pachua (Mexiko).
Jenni Hermoso bei einer Zeremonie in Pachua (Mexiko).
Imago

Die Spielerin Jenni Hermoso hat den früheren Chef des spanischen Fussballverbandes, Luis Rubiales, im Ermittlungsverfahren zum Kuss-Skandal schwer belastet.

S. Battistuzzi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Im spanischen Kuss-Skandal hat die von dem inzwischen zurückgetretenen Fussballverbandschef Luis Rubiales geküsste Spielerin Jennifer Hermoso Anzeige erstattet.
  • Hermoso hat bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass sie dem Kuss nicht zugestimmt habe. Zudem habe Rubiales danach versucht, sie zu überreden, seine Version zu unterstützen.
  • Auch der frühere Nationaltrainer Jorge Vilda habe versucht, sie zu beeinflussen. 

Nach dem WM-Sieg der spanischen Fussballfrauen küsste Verbandschef Luis Rubiales Jennifer Hermoso ungefragt auf den Mund. Danach schaltete die Spielerin die Justiz ein und zeigte den umstrittenen Präsidenten bei der Generalstaatsanwaltschaft an.

Rubiales beteuert, Hermoso habe dem Kuss zugestimmt. Die Spielerin erklärte aber, sie habe sich «als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe». Der Ermittlungsrichter muss entscheiden, ob die Beschuldigten auf die Anklagebank kommen. Rubiales droht in diesem Fall laut Experten eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren.

Nun enthüllte der spanische Fernsehsender Telecinco in der Sendung Código 10 (via Relovo) die Aussage von Jenni Hermoso, welche sie am Montag vor Gericht abgab.

Rubiales zu Hermoso: «Sie nennen mich einen Stalker, einen Vergewaltiger»

«Wir reisten in der Business-Class und sie (Rubiales und seine Mitarbeiter) sassen ganz vorne. Ich ging auf die Toilette und er stand da und sprach mit einigen von ihnen. Er sagte: ‹Jenni, kannst du kurz kommen? Du musst mir helfen und ein Video mit mir in Doha (Katar) aufnehmen, denn sie nennen mich einen Stalker, einen Vergewaltiger.›»

«Ich habe nein gesagt – da wurde sogar ich nervös, ich habe mich unwohl gefühlt», so die 33-Jährige. Hermoso erzählte auch von den Bemühungen, die Rubiales unternahm, um sie zu überreden. «Ich werde es nie vergessen, denn er sagte mir: ‹Ich habe viel für den Frauenfussball getan. Ich bin ein guter Mensch, genau wie du. Du musst mir helfen, du musst es für meine beiden Töchter tun, die da hinten im Flugzeug weinen.›»

Danach habe Rubiales mit ihrem Bruder reden wollen. «Ich habe mich in keiner Weise respektiert gefühlt. Ich habe nicht nach diesem Kuss gesucht. Er bat mich, ihm bei der Lösung einer Tat zu helfen, die er selbst provoziert hatte. Ich konnte mich in keinem Moment gut fühlen, ich stand unter Schock», betont Hermoso. 

Sie betont auch die Rolle vom damaligen Nationaltrainer Jorge Vilda, von dem sie ebenfalls bedrängt worden sei, um zu erklären, dass der Kuss in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt sei. «Mein Bruder sagte mir, dass er (Vilda) mich wissen lasse, dass es mir gut gehen würde, wenn ich ihm helfe, und dass er mich irgendwie überzeugen würde, die Hilfe anzunehmen.» Später musste auch Vilda seinen Posten räumen. 

 Jorge Vilda (l.) und Luis Rubiales (im Anzug) feiern in Australien den WM-Titel von Spanien.
 Jorge Vilda (l.) und Luis Rubiales (im Anzug) feiern in Australien den WM-Titel von Spanien.
IMAGO/Sports Press Photo

Der nicht einvernehmliche Kuss habe ihr Image beschädigt, hält Hermoso fest: «Ich hatte das Gefühl, dass mich als Spielerin und als Untergebene des Verbands niemand beschützt hat. Sie baten mich, sie zu beschützen, ihnen zu helfen, aber ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mich niemand beschützt.»

Hermoso musste Madrid verlassen

Die Aufnahmen aus dem Teambus, welche sie mit anderen Spielerinnen in entspannter Atmosphäre zeigen, wie sie sich über den Vorfall lustig machen, beschreibt sie folgendermassen: «Ich war ein wenig entspannter. Zu keiner Zeit hätte ich mir erlaubt, in einer Ecke zu weinen, damit mich jeder fragen kann ‹was los ist›. Es war Zeit zum Feiern. Ich musste auch meine Teamkolleginnen schützen.»

Hermoso betont: «Ich habe es nicht verdient, dass ich das alles durchmachen musste. Es war sehr schwierig für mich, nicht nach Hause gehen zu können. Ich musste Madrid verlassen, um dem Druck zu entgehen, der von Leuten ausgeübt wurde, die mich nur verletzen wollten (...). »

Die Spielerin, welche in der mexikanischen Liga bei Pachua ihr Geld verdient, hielt im Rahmen einer Veranstaltung des Football Hall of Fame – wo Fussball-Grössen wie Francesco Totti, Xavi Hernández oder Carlo Ancelotti aufgenommen wurden – eine Rede: «Wir haben in einem für uns historischen Moment mehr gelitten, als wir hätten tun sollen. Es ist mir klar, dass wir eine grosse Verantwortung gegenüber den neuen Generationen haben», lautet ihre Botschaft.

Hermoso weiter: «All jenen, die keinen Lautsprecher haben, um sich Gehör zu verschaffen, möchte ich sagen, dass dieser Kampf uns allen gehört. Wir gewinnen auf dem Feld und ausserhalb des Feldes, um einen integrativen Sport und eine integrative Gesellschaft zu gewährleisten, die uns alle schützt.»

«Und allen möchte ich sagen: ‹Es ist vorbei! Ich bin Jenni Hermoso, ich bin eine Fussballspielerin und ich bin das Mädchen, das Weltmeisterin geworden ist.›»

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