Die Pläne für eine Super League stellten Europas Club-Fussball vor eine Zerreissprobe. Trotz heftiger Drohungen der Gegner und des Abschieds der meisten Teams sind die Ideen nicht vom Tisch und werden in anderer Form wohl bald wieder auftauchen.
Zwölf Grossklubs probten den Aufstand – und erlebten Waterloo
Die Pläne von zwölf europäischen Fussball-Topclubs für eine Super League sind zumindest fürs Erste krachend gescheitert. Nach der Ankündigung am Sonntagabend sind mit Manchester City, Liverpool, Manchester United, Tottenham Hotspur, Arsenal sowie Chelsea bereits alle englischen Klubs ausgestiegen.
Die spanischen Klubs FC Barcelona und Atlético Madrid sollen ebenfalls vor dem Rückzug stehen, ebenso Inter und Milan. Auch die beiden Zugpferde Juve mit Präsident Andrea Agnelli und Real Madrid mit Florentino Perez dürften sich in Kürze öffentlich dem grossen Druck beugen.
Keine Konsequenzen für die teilnehmenden Klubs
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin will offenbar von unmittelbaren Konsequenzen für die einsichtigen Abweichler absehen. «Das Wichtigste ist jetzt, dass wir weitermachen, die Einheit, die das Spiel zuvor genossen hat, wieder aufbauen und gemeinsam vorankommen», meinte der Chef des Fussball-Kontinentalverbandes. Als Drohkulisse hatte der Slowene selbst einen Ausschluss aus der noch laufenden Europacup-Saison und eine EM- und WM-Sperre für alle Profis der Klubs ins Spiel gebracht.
Damit ist auch der Ausschluss von Real Madrid, Manchester City und Chelsea vom Halbfinale der Champions League obsolet. Vermieden wird zugleich auch eine juristische Schlammschlacht, welche den europäischen Klub-Fussball bedrohte. Laut der Statuten bedarf jeder neue Wettbewerb der Zustimmung des Dachverbandes. Allerdings geht die Frage über Konkurrenzprodukte tief ins EU-Recht. Die Masterminds der Super League hielten fest, «dass unser Vorschlag vollständig mit den europäischen Gesetzen und Vorschriften in Einklang steht».
Die «Super-League-Klubs» werden also wieder in den europäischen Wettbewerben willkommen geheissen. Dies auch im Eigeninteresse der UEFA, welche es sich nicht leisten kann, auf die Einnahmen zu verzichten, welche die grossen Vereine für sie generieren.
Projekt nicht beerdigt
Damit dürfte das höchst umstrittene Projekt, das den europäischen Klub-Fussball zu spalten drohte, schon wieder vom Tisch sein. Doch ganz versenkt ist das Vorhaben trotzdem nicht. Denn die Macher wollen ihr umstrittenes Milliarden-Projekt in irgendeiner Form durchziehen. «Wir schlagen einen neuen europäischen Wettbewerb vor, weil das bestehende System nicht funktioniert.»
Der Zeitpunkt der Bekanntgabe zur Gründung der Super League – nur wenige Stunden vor der Reform der Champions League – war natürlich kein Zufall. So konnten die grossen Klubs schon mal viel Druck auf die Reform aufbauen. Ihr Ziel: Einen immer grösseren Anteil am Finanztopf des Fussballs zu ergattern. Dem Dutzend reichen die zu erwartenden Einnahmen aus der UEFA-Reform nicht, zudem fehlt ihnen die Sicherheit, auf jeden Fall international dabei zu sein.
Laut Gründungserklärung hätten die zwölf Klubs «3,5 Milliarden Euro bekommen, die ausschliesslich für die Entwicklung ihrer Infrastruktur und zur Abfederung der Auswirkungen der Covid-Pandemie vorgesehen ist». Mit dem zusätzlichen Geld wären die meist massiv verschuldeten Top-Klubs viele ihrer Sorgen auf einen Schlag los. Finanziert werden sollte das Projekt durch eine US-Grossbank.
Angriff gut getimt – Druck auf UEFA bleibt hoch
Spätestens seit 2018, als die Enthüllungsplattform «Football Leaks» Dokumente veröffentlichte, welche die Einführung einer Super League ankündigten, geisterte das Projekt herum. Bis am Sonntag stritten aber die Rädelsführer jeweils ab, in die Sache involviert zu sein.
Wie die «Sportschau» erläutert, war das Timing auch unter finanziellen Gesichtspunkten günstig. In Spanien und England laufen im kommenden Jahr die TV-Verträge der Premier League und der La Liga aus. Dadurch wird viel Geld frei – wie gerufen für die Super League. Zumal 2024 die TV-Verträge in Italien und für die Champions League neu verhandelt werden müssen.
Die Drohungen könnten ungeachtet des vorläufigen Rückzugs der Initiatoren eine Umverteilung zugunsten der abtrünnigen Top-Klubs zur Folge haben. Das ganze Szenario könnte sich also aus Sicht der zwölf Vereinen trotz des vermeintlichen PR-Debakels auszahlen. Sicher ist: Der Druck auf die UEFA wird von ihrer Seite nicht abnehmen. Die Big Player werden nach einer moralischen Erholungspause weiter nach Einnahmemöglichkeiten suchen müssen.