Arsenal London Unai Emery: Vom Hoffnungsträger zum Bauernopfer

SDA

26.11.2019 - 06:35

Arsenal müht sich durch eine schwierige Ära voller Zwist und Animositäten. Als Hauptverantwortlicher der Krise wird in London Trainer Unai Emery ausgemacht. Dabei ist auch er nur ein Bauernopfer.

Wird irgendwo in der Welt des Sports ein Trainer entlassen, begeben sich Experten, Fans und Medien in der Folge auf eine Suche: Sie bemühen sich darum, herauszufinden, wann erste Risse zwischen Klub und Trainer entstanden waren und welche Bilder diese Risse möglichst eindrücklich untermalen. In England könnte eine nächste solche Ursachen-Forschung in absehbarer Zeit anstehen: Bei Arsenal und dessen Trainer Unai Emery. Das 2:2 gegen Abstiegskandidat Southampton am Wochenende verbesserte Emerys Situation nicht.



Die Hilflosigkeit, mit der Emery der aktuellen Krise begegnet, ist für Beobachter zuletzt mehrfach augenfällig geworden. Wer nach Bildbeweisen für die zunehmende Isolation des Spaniers sucht, findet sie etwa in Arsenals Europa-League-Einsatz Anfang Monat in Guimarães. Minutenlang stand Emery in seiner schwarzen Regenjacke mit hochgeklappter Kapuze praktisch regungslos im strömenden Regen Portugals.

Im Mai 2018 hatte Arsenal Emery als energetischen Trainer empfangen, der für Erfolg stand. 18 Monate später blätterten die Reste dieses Images im portugiesischen Starkregen ab. Ersetzt durch Bilder eines Trainers, der mehr mit sich selber beschäftigt ist, als mit der Leitung eines Teams. Es sind Bilder eines komplizierten Verhältnisses, das im Norden Londons viele mit einschliesst: Klub, Fans, Trainer und Spieler.



Emery steht nicht am Anfang der Krise bei Arsenal, ebenso wenig wie Mesut Özil, Shkodran Mustafi oder Granit Xhaka. Aber der Nachfolger von Klublegende Arsène Wenger dürfte das derzeitige Beben kaum überstehen. Klar ist: Emery, der in seinen ersten 50 Spielen in London einen Punkt weniger sammelte als Wenger in seinen letzten, hat einen Anteil am Niedergang des Spitzenklubs mit Kurs Richtung Mittelklasse. Weil er sich auch nach eineinhalb Jahren noch nicht mit der Premier League hat anfreunden können. Emerys Distanz zur englischen Liga spiegelt sich in der taktischen Ausrichtung, ebenso in Sprache und der Betreuung am Spielfeldrand.

Emery und seine Captains

Schon bei seinen früheren Stationen als Trainer in Spanien waren die öffentlichen Auftritte des Basken selten ergiebig, obschon er sie in der Muttersprache halten konnte. In England ist seine oft ausufernde Phrasendrescherei wegen sprachlicher Hürden noch schwieriger zu entziffern. Zu den sprachlichen Problemen gesellten sich Konflikte mit den vom Trainer ausgemachten Führungsspielern. Zwei Mal verlor Arsenal in der Ära von Emery auf kuriose Art den Captain. Weder beim erstreikten Wechsel von Koscielny in die Heimat noch bei der öffentlichen Desavouierung von Xhaka ist der Trainer von sämtlicher Schuld freizusprechen.

Beim französischen Innenverteidiger, der aufgrund eines Achillessehnenrisses den Weltmeistertitel von Frankreich nur am TV mitverfolgen konnte, bewies Emery kein Feingefühl. Die schwere Verletzung im Alter von 33 Jahren förderte bei Koscielny das Bewusstsein, wie schnell es mit der Karriere vorbei sein könnte. Statt ihm bei seinem Comeback Zeit zu lassen, liess Emery den Verteidiger sofort wieder ohne Auszeit laufen – und schlug ihn so in die Flucht.

Noch ungeschickter zeigte sich der Spanier im Umgang mit Xhaka. Sein Verhalten lässt die Frage zu: War der Schweizer überhaupt jemals Emerys Captain? Zum Mannschaftsführer gemacht wurde Xhaka von seinen Teamkollegen in einer internen Abstimmung, nach dem unrühmlichen Auftreten bei seiner Auswechslung im Heimspiel gegen Crystal Palace gab sich der Trainer in einer ersten Reaktion vor laufenden Kameras unversöhnlich, wodurch er die Fortsetzung von Xhakas Captaintätigkeit verunmöglichte. Und doch: Emery ist in dieser Londoner Krise auch Opfer.

Konzeptlos ins Mittelmass

Als Coach steht er einem Klub vor, der seit Monaten um die richtige Strategie und Ausrichtung ringt. Der Schlingerkurs auf Führungsebene begann schon unter seinem Vorgänger Wenger – und er startete auf höchster Stufe. Im August 2018 entschied der von den Fans ungeliebte US-Unternehmer Stan Kroenke ein jahrelanges Tauziehen um die Alleinherrschaft im Klub mit dem usbekischen Oligarchen Alischer Usmanow zu seinen Gunsten. Was folgte waren Mutationen an praktisch allen Stellen, die Einfluss auf die Vision eines Klubs haben.

Einen Monat nachdem der Machtkampf um die Besitzverhältnisse entschieden war, verkündete zuerst der langjährige Geschäftsführer Ivan Gazidis seinen Weggang zur AC Milan, wenig später beendete Chefscout Sven Mislintat nach nur 14 Monaten das Engagement in London. Gemeinsam mit Head of Football Raul Sanllehi hatten Mislintat und Gazidis das Triumvirat gebildet, das Emery als neuen Trainer nach London lotste.

Ein Blick auf die Zusammenstellung des Kaders reicht, um die vielen Wechsel auf Führungsstufe nachzuzeichnen. Statt einer klaren Philosophie verkam Arsenal so zu einem Potpourri verschiedenster Visionen. Die Konzeptlosigkeit, die Emery vorgeworfen wird, rührt auch daher. Den Job retten wird ihm die Mitschuld anderer nicht. Gekommen war Emery als Hoffnungsträger, verlassen wird er Arsenal wohl als Bauernopfer.

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