Liverpool «Völlig überwältigt»: Meistermacher Klopp zwischen Tanz und Tränen

dpa

26.6.2020

Jürgen Klopp kann einfach nichts falsch machen. Nach dem Gewinn der Meisterschaft mit dem FC Liverpool bricht der beliebte Trainer in einem Interview in Tränen aus. Nun erklärt er seinen Gefühlsausbruch.

Die Augen von Jürgen Klopp waren sichtbar gerötet. Nach dem Triumph sprach der Liverpool-Trainer mit zittriger Stimme. «Ich bin völlig überwältigt. Ich hätte nie gedacht, dass sich das so anfühlt», stammelte er beim Sender Sky Sports. «Das ist ein grosser Moment, ich hab wirklich keine Worte.» Kurz darauf musste der 53-Jährige das Interview abbrechen, weil er in Tränen ausbrach.

«Ich hab gestern Abend zu viel geweint», scherzte Klopp am Freitag, «ich war zu emotional. Ich habe Glück, in diesem Verein zu sein, wenn sowas passiert. Ich bin so glücklich, dass ich ein Teil davon bin.»

Das emotionale Tränen-Video wurde nach dem Gewinn der Meisterschaft in England ein Internet-Hit und rührte die Fans. «Grossartig zu sehen», kommentierte ein Nutzer namens Lewis bei Youtube. «Nachdem ich das gesehen habe, muss ich selbst weinen», schrieb Userin Vicky. Später tauchte ein weiterer Clip auf, in dem der Meistermacher ausgelassen tanzt und dabei von den Spielern angefeuert wird.

In der Heimatstadt der Beatles wird der Kult um Klopp durch solche Ereignisse nur noch grösser. Zu sagen, der Stuttgarter ist der beliebteste Fussballtrainer auf der Insel, ist keine gewagte Behauptung. Und seit Donnerstagabend hat der Trainer wohl endgültig Legendenstatus in der 128-jährigen Vereinsgeschichte des ruhmreichen FC Liverpool. Der 19. Meistertitel, der erste seit 30 Jahren, ist und bleibt untrennbar mit dem Namen Jürgen Klopp verbunden.

«Vor 30 Jahren ... da war ich 23!», amüsierte sich der Coach. «Ich hab also nicht allzu viel darüber nachgedacht, die Meisterschaft mit Liverpool zu gewinnen, wenn ich ehrlich bin. Ich hatte doch überhaupt nicht die Fähigkeiten dafür. 30 Jahre später bin ich hier, und zwar wegen der grossartigen Mitarbeiter, die ich habe, es ist unglaublich.»

Dass der Meister Liverpool heisst, steht seit der Niederlage von Manchester City beim FC Chelsea am Donnerstag fest. Eigentlich war es aber schon seit Wochen klar. «Wir wussten, dass es passieren könnte, es konnte nicht nicht passieren», gab Klopp zu.

Folgen weitere Titel für Liverpool und Klopp?

«Es ist klar, dass sich die Mannschaft in einer guten Phase befindet, wir sind jung genug, um noch mehr zu holen», äusserte sich Klopp am Freitag optimistisch. «Es ist so ein Moment wie letztes Jahr nach dem Champions-League-Final – man macht weiter.» Er könne zwar nicht versprechen, dass er den Rest seines Lebens in Anfield bleibe, so Klopp, «aber ich werde noch eine Weile hier sein».

Der langjährige Liverpool-Profi Jamie Carragher rechnet mit weiteren Trophäen. «Ich glaube nicht, dass ein Titel für Jürgen Klopp und seine Mannschaft genug ist, so viel Energie, wie die haben», sagte er und lobte den Trainer. «Er schafft es, etwas Besonderes zu zaubern, und Liverpool-Fans lieben ihn. Man kann sehen, wie sehr sie hinter all dem stehen, was er getan hat.»

Meistertitel den Ikonen von Liverpool gewidmet

Schon bevor Liverpool im letzten Jahr die Champions League gewann, galt Klopp in Anfield als Identifikationsfigur. Seit seinem Amtsantritt im Oktober 2015 ging es zunächst langsam, aber dann doch sicher bergauf. In weniger als fünf Jahren formte er die Reds zu einem Weltklasse-Team – eine «spektakuläre Wiederbelebung», wie es der britische Fernsehsender BBC nannte.

Klopp sei «fantastisch» und verkörpere «alles, wofür der FC Liverpool steht», schwärmte die Vereinsikone Sir Kenny Dalglish. «King» Kenny, der als Spieler und Trainer so ziemlich alles mit dem Klub gewann, war 1990 der letzte Meistercoach der Reds. Als einer der ersten gratulierte er seinem sichtlich gerührten Nachfolger per Liveschalte im Fernsehen – und hatte dabei selbst feuchte Augen.

«Dieser Titel ist für dich», sagte Klopp. «Er (Kenny) hat 30 Jahre darauf gewartet. Und er ist auch für Stevie.» Der frühere Kapitän Steven Gerrard trug das rote Trikot von 1998 bis 2015 und galt als absolute Identifikationsfigur. Er gewann die Champions League mit den Reds, die Meisterschaft aber nicht. 2014 verspielte sein Team den sicher geglaubten Titel zwei Spieltage vor dem Saisonende.

«Die Jungs bewundern euch», sagte Klopp in Richtung von Dalglish, Gerrard, Graeme Souness und anderer Liverpool-Ikonen. «Es ist leicht, die Mannschaft zu motivieren, wegen eurer grossartigen Geschichte.»

Klopp hat jetzt ein weiteres erfolgreiches Kapitel hinzugefügt. Ein Denkmal des Trainers, wie es Gerrard ins Gespräch gebracht hatte, wäre dem deutschen Erfolgscoach allerdings unangenehm: «Ich will keine Statue, das ist nicht meine Motivation.»

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