Kommentar Wie eine Trainerentlassung den Wiederaufstieg des HSV vereitelt

Luca Betschart

14.5.2019

Grosse Enttäuschung bei Jann-Fiete Arp und dem HSV nach dem verpassten Wiederaufstieg in die Bundesliga.
Grosse Enttäuschung bei Jann-Fiete Arp und dem HSV nach dem verpassten Wiederaufstieg in die Bundesliga.
Bild: Keystone

Nach dem erstmaligen Abstieg ist der Hamburger SV auf gutem Weg, den direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga zu bewerkstelligen. Dann entlässt man den Trainer – und alles geht den Bach runter.

Nach mehr als 54 Jahren in der obersten Liga erwischt es den Hamburger SV in der letzten Saison: Der Bundesliga-Dino steigt erstmals in die zweite Liga ab – als letzter der 16 Gründungsmitglieder. Für die Stadionuhr, die jede Sekunde Erstklassigkeit mitzählt, hat die letzte Stunde geschlagen. Ein Mythos erlischt. Doch die Leidenschaft rund um den Verein bleibt. «Wir kommen wieder», geben sich die Anhänger nach dem Abstieg kämpferisch.

Tatsächlich gibt es für den HSV und seine Fans Grund zur Zuversicht. Unter dem damaligen Trainer Christian Titz stimmen die Leistungen bereits in der Rückrunde der Abstiegssaison. Beinahe kann der Gang in die zweite Liga trotz riesigem Punkterückstand noch verhindert werden, gehofft wird bis zum letzten Spieltag. Dann herrscht allerdings traurige Gewissheit und ganz ehrlich: Selten hat sich ein Abstieg so abgezeichnet.

Denn die «unabsteigbaren» Hamburger taumeln in der Bundesliga zu dieser Zeit von Saison zu Saison, kämpfen stets gegen den Abstieg und retten sich teilweise in exremis aus aussichtsloser Lage. Der letztjährige Fall in die Zweitklassigkeit wird in vielen Augen als Chance auf einen Neustart gesehen. Die Verantwortlichen sollen die Lehren aus den verkorksten letzten Jahren ziehen, der Verein soll gestärkt und mit höheren Ambitionen sofort in die Bundesliga zurückkehren.

Trainerentlassung aus heiterem Himmel

Im Sommer entscheiden Sportchef Ralf Becker und Vorstands-Boss Bernd Hoffmann, für die Mission Wiederaufstieg am populären Christian Titz an der Seitenlinie festzuhalten. Nach einem veritablen Fehlstart gegen Kiel (0:3) etabliert sich die Mannschaft unter dem 48-Jährigen dank vier Siegen in Folge an der Tabellenspitze. Doch als die Mannschaft nach zehn Spieltagen und einem torlosen Remis gegen Bochum vom dritten auf den fünften Platz abrutscht, zieht Becker völlig überraschend die Reissleine und begründet: «Ich sehe unser Saisonziel gefährdet.»



Als Nachfolger wird Hannes Wolf vorgestellt, der mit den Hamburgern einen sehr guten Start hinlegt und bis zur Winterpause sechs seiner ersten acht Meisterschaftsspiele gewinnt. Der HSV thront auf Rang eins, der Trainerwechsel scheint sich auszuzahlen. Doch das Frohlocken ist verfrüht.

Rückrunde eines Abstiegskandidaten

Je länger Hannes Wolf das Sagen hat, desto enttäuschender werden die Resultate. Wer denkt, nach der Winterpause habe die Mannschaft die Philosophie des Neo-Trainers verinnerlicht und sich stabilisiert, sieht sich getäuscht. Nach zwei Siegen aus den ersten drei Spielen der Rückrunde fällt der HSV regelrecht in seine Einzelteile, gewinnt in zwölf Auftritten gerade noch zwei Duelle.

Sportdirektor Ralf Becker (links) und Trainer Hannes Wolf blicken auf eine miserable Rückrunde zurück.
Sportdirektor Ralf Becker (links) und Trainer Hannes Wolf blicken auf eine miserable Rückrunde zurück.
Bild: Keystone

Den letzten Sieg feiert man am 10. März in St.Pauli und aus den letzten acht Spielen sammelt man bloss drei Punkte – Zahlen eines Abstiegskandidaten. In der Rückrunden-Tabelle ist der HSV auf Platz 16 zu finden, nur Greuther Fürth und Duisburg schneiden noch schlechter ab. Bereits vor dem letzten Spieltag ist klar: Der HSV verpasst sogar die Barrage und somit den Wiederaufstieg vorzeitig.

Titz mit der besseren Bilanz

Hannes Wolf holt dabei durchschnittlich 1,52 Punkte pro Spiel, sein Vorgänger Titz erreicht einen Wert von 1,8 Zählern. Hochgerechnet auf die Saison hätte Hamburg unter Titz statt 53 deren 62 Punkte auf dem Konto und den Aufstieg bereits jetzt in der Tasche. So ist der Sündenbock für einige schnell gefunden.

Der Investor Klaus-Michael Kühne habe bereits Ende Februar die Absetzung des 38-Jährigen verlangt, «weil sich mit dem in Regensburg verlorenen Spiel der Niedergang für mich abzeichnete und er durch falsche Entscheidungen des Trainer gekennzeichnet war», wettert er gegenüber der «Bild». Für eines kann man Wolf allerdings nicht verantwortlich machen: Die übereilige Entlassung von Christian Titz.

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