Die gewaltsamen Fan-Ausschreitungen rund um das Old-Trafford-Stadion in Manchester sind nicht die ersten Proteste gegen die Besitzer-Familie von United. Sie dürften auch nicht die letzten gewesen sein.
Am Sonntag kommt es rund um das Old-Trafford-Stadion in Manchester zu gewaltsamen Ausschreitungen. Zehntausende Anhänger des englischen Rekordmeisters protestieren gegen die Glazer-Familie, die Besitzer von Manchester United. Als Auslöser gilt die vor wenigen Wochen grandios gescheiterte europäische Super League – in Wahrheit herrscht zwischen Fans und Eigentümer aber seit 16 Jahren Krieg.
Angefangen hat alles mit einem Rennpferd, dem «Rock of Gibraltar». Der irische Hengst, der 2002 zum europäischen Pferd des Jahres gekürt wird, steht gleichzeitig im Mittelpunkt eines Rechtsstreits zwischen Manchester Uniteds Trainer Sir Alex Ferguson und dem Hauptaktionär des Klubs, John Magnier. Die Frage, wer der Besitzer des Pferdes ist, klärt sich im März 2004, als Ferguson von Magnier 2,5 Millionen Pfund in Abfindungszahlungen erhält. Die Beziehung zwischen den beiden ist von nun an zerrüttet und ebnet so den Weg in den Abgrund.
Infolgedessen versucht Hauptaktionär Magnier Erfolgstrainer Ferguson loszuwerden. Der Vorstand des Vereins, der dies mit allen Mitteln verhindern möchte, begibt sich auf die Suche nach neuen Investoren, in der Hoffnung, dem einflussreichen Magnier so die Stirn zu bieten. Zur selben Zeit ist der Amerikaner Malcolm Glazer zusammen mit seinem Sohn Avram Glazer auf der Suche nach einem Investment im europäischen Fussball. Das eine führt zum anderen und kurz darauf ist die Hochzeitskatastrophe perfekt: Im Mai 2005 übernehmen die Glazers die Aktienmehrheit bei Manchester United.
Fiese Buchhaltertricks
Die Art und Weise der Übernahme ist höchst fragwürdig. Die Glazers bezahlen nämlich nur die ersten paar Prozent der Aktien aus der eigenen Tasche. Sobald sie genügend Macht besitzen, nehmen sie Darlehen auf, die durch das Vermögen des Klubs gesichert sind und bezahlen damit den Rest der Übernahme. Auf einen Schlag steht der seit 1931 schuldenfreie Traditionsklub mit 580 Millionen Pfund in der Kreide. Die Fans gehen auf die Barrikaden.
Juli 2005: Beim ersten Besuch der Glazer-Familie im Old Trafford blockieren Hunderte Anhänger die Ausgänge. Die Amerikaner müssen das Stadion mit einer Polizei-Eskorte verlassen. Einschüchtern lassen sich die neuen Besitzer aber nicht. Sie halten an ihrer Aktienmehrheit fest und treiben den Schuldenberg sogar noch weiter in die Höhe.
2010 ist er 716,5 Millionen Pfund schwer. Ab 2015 lassen sich die Glazer eine jährliche Dividende ausbezahlen – bis 2020 zieht die Besitzerfamilie laut «Athletic» über 200 Millionen Pfund aus dem Verein. Gleichzeitig wird bekannt, dass die Eigentümerschaft der Glazers den englischen Rekordmeister seit 2005 1,5 Milliarden Pfund an Zinsen, Schulden und anderen Ausgaben gekostet hat.
Fans wollen Verkauf erzwingen
Als vor wenigen Wochen bekannt wird, dass der Klub Teil der europäischen Super League sein soll, gibt es bei United-Anhängern kein Halten mehr. Am 22. April stürmen sie aus Protest das Trainingsgelände.
Das Projekt Super League scheitert nach einem europaweiten Aufschrei grandios. In Manchester tritt der ebenfalls höchst umstrittene Geschäftsführer Ed Woodward zurück. Es ist das erste Mal, dass sich die Fans gegen die Vereinsbosse durchsetzen. Die Anhängerschaft der «Red Devils» riecht Blut und fordert den sofortigen Verkauf des Klubs, sowie eine Einführung der 50 + 1 Regel, wie sie in Deutschland gängig ist.
Vor dem traditionsreichen Derby gegen den FC Liverpool gipfelt die Situation im Chaos. Am Sonntag versammeln sich Zehntausende vor dem Old Trafford, einige Hundert finden sogar den Weg auf das Spielfeld. Auch in der Stadt vor dem Hotel, in dem die Mannschaften einquartiert sind, kommt es zu Ausschreitungen. Das Spiel muss abgesagt werden.
Erneut ist es den Fans damit gelungen, eine Entscheidung zu erzwingen. Das dürfte der Bewegung in Manchester nur noch mehr Aufschub verleihen. Gemäss dem «Mirror» und dem «Athletic» haben die Glazers aber keinesfalls vor, den Klub demnächst zu verkaufen.
Obwohl das Meisterrennen in England schon längst gelaufen ist, könnte es dieses Jahr gegen Ende der Saison kaum spannender sein. Für das nächste Premier-League-Spiel läuft ManUtd bei Aston Villa in Birmingham auf. Die beiden Städte sind weniger als zwei Autostunden voneinander entfernt, eine erneute Massenkundgebung ist nicht ausgeschlossen.