Mediziner wollen aufklärenWie gefährlich sind Kopfbälle wirklich für das Gehirn?
dpa/jar
25.5.2018
Wenn Fussballspieler den Ball ins Tor köpfen, ist der Jubel gross. Doch hat das Folgen für das Gehirn? Sportmediziner gehen dieser Frage nach.
Die Auswirkungen von Kopfbällen auf die Gesundheit von Fussballern sind das Thema einer Studie von Sportmedizinern aus der Schweiz, Deutschland und den USA. Derzeit werde bei 50 Profi-Sportlern untersucht, wie oft und wie sie köpfen, hiess es einer Mitteilung des Deutschen Olympischen Sportärztekongresses. Zu der Veranstaltung, die am Donnerstag in Hamburg begann, war der Leiter der Studie, der Paderborner Neurologe Claus Reinsberger, eingeladen. «Insbesondere von Kopfbällen, die nicht zu Gehirnerschütterungen führen, wissen wir noch nicht sicher, ob sie auch langfristig das Gehirn schädigen», erklärte Reinsberger.
Die Studie ist auf drei Jahre angelegt und soll bis 2020 abgeschlossen sein. Vor allem Fussballer der U21 vom Hamburger SV sind beteiligt, Schweizer Spieler sollen hinzukommen. Die Wissenschaftler wollen die Fussballer mit dem Kernspintomografen untersuchen und dann alle Kopfbälle bei Trainingseinheiten und Spielen beobachten. Schliesslich sollen die Spieler erneut klinisch untersucht werden. In einer Vorstudie werteten die Sportmediziner bereits Videos aus der Bayern-Liga mit 11'500 Kopfbällen aus.
Es ist Vorsicht geboten
Reinsberger und Kollegen unterscheiden zwischen Treffern, die eine leichte Gehirnerschütterung hervorrufen, und solchen, die nicht solche Symptome zur Folge haben. Dass Gehirnerschütterungen – verursacht meist durch Zusammenstösse von Köpfen bei Duellen oder unbeabsichtigte Kopftreffer – schwere Folgen haben können, ist für die Forscher offensichtlich. Wenn sie nicht therapiert werden, könne es zu Schäden für Gedächtnis, Augen, Reaktionsgeschwindigkeit und Balance kommen. Im schlimmsten Fall sei bei einem erneuten Kopftreffer sogar eine Behinderung oder der Tod möglich, hiess es. Darum sei es wichtig, Fussballer nach einem solchen Vorfall aus dem Spiel zu nehmen.
Wie dramatisch es nach einem solchen Zusammenprall werden kann, zeigte der Fall von Ryan Mason im Januar 2017. Hull Citys Mittelfeldspieler hatte damals im Premier-League-Spiel gegen Chelsea bei einem Kopfballduell einen Schädelbruch erlitten. Mason kämpfte danach lange für sein Comeback, doch nach Rücksprache mit Neurologen blieb dem 26-Jährigen aufgrund des zu hohen Risikos, die seine Verletzung mit sich bringt, keine andere Wahl als seine Karriere zu beenden.
Ob häufige Kopfbälle, bei denen Fussballer anschliessend keine Symptome zeigen, auch gefährlich sind, ist für Reinsberger dagegen eine offene Frage. Frühere Studien gäben Anhaltspunkte dafür, wonach die Kommunikation zwischen bestimmten Gehirnteilen gestört werde. «Klar ist schon, dass es Veränderungen und Anpassungserscheinungen des Gehirns dabei gibt», sagte der Neurologe. Ob das positiv zu bewerten sei, wie etwa der schnellere Herzschlag bei einem Jogger, sei noch offen. Der US-Fussballverband hat bereits ein Kopfballverbot im Juniorenfussball verhängt. Reinsberger sieht allerdings noch keinen wissenschaftlich begründeten Handlungsbedarf.
Mehr Kopfbälle in unteren Ligen
Eine Vorstudie Regensburger Kollegen von Reinsberger ergab übrigens, dass in den Ligen unterschiedlich oft der Kopf eingesetzt wird. In der ersten Bundesliga wurde der Ball im Schnitt pro Spiel 111,4 Mal geköpft, in der zweiten Liga 128,5 und in der dritten 143,13. Bei der bevorstehenden WM in Russland hätte Reinsberger eigentlich nichts gegen ein gutes Kopfballspiel. «Mit einem Kopfball, der auch ins Tor geht, hätte ich auch als Neurologe kein Problem», sagte er.
Der Sportmediziner hofft allerdings, dass sich ein Fall wie der von Álvaro Pereira bei der WM vor vier Jahren nicht wiederholt. Im Spiel gegen England bekam der Uruguayer damals ein Knie gegen den Kopf. Trotz einer Gehirnerschütterung spielte er auf eigenen Wunsch weiter. Daraufhin führte die FIFA die Drei-Minuten-Regel ein. Das heisst, das Spiel muss jetzt nach einem solchen Zwischenfall unterbrochen werden, um einem Sportarzt die Gelegenheit zu geben, eine Gehirnerschütterung auszuschliessen.
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