Bundestrainer in spe Hansi Flick und die Fragezeichen vor dem Amtsantritt

Von Patrick Lämmle

25.5.2021

Hansi Flick übernimmt nach der EM als Chefcoach der deutschen Nationalmannschaft.
Hansi Flick übernimmt nach der EM als Chefcoach der deutschen Nationalmannschaft.
Bild: Keystone

Er habe «mit einer geilen Mannschaft eine Benchmark gesetzt», blickt Flick bei seiner letzten Medienkonferenz als Bayern-Coach auf die Zeit in München zurück. Und nun übernimmt er also nach der EM das Amt des Bundestrainers. Aber kann Hansi auch Nationalmannschaft?

Von Patrick Lämmle

Was sich lange angedeutet hat, ist nun offiziell: Hansi Flick wird nach der bevorstehenden Europameisterschaft das Amt des scheidenden Jogi Löw übernehmen. Flick hat sich als Bayerns «Alles-Besser-Macher» regelrecht für den Job aufgedrängt.

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Wird Hansi Flick auch der deutschen Nationalmannschaft Flügel verleihen?

In seinen knapp zwei Jahren als Coach in München (im Juli 2019 als Co-Trainer angestellt, übernahm er vier Monate später den Chefposten) hat er nicht weniger als sieben Titel abgeräumt. Seine erste Saison war die bisher erfolgreichste in der Geschichte des FC Bayern überhaupt. Niemand konnte der Mannschaft auf dem Weg zum «Sextuple» das Wasser reichen.

Die zweite Saison war zwar nicht mehr ganz so erfolgreich und doch endete sie mit dem frühzeitigen Gewinn der Meisterschaft. In der Champions League bedeutete allerdings das Viertelfinale Endstation und im Cup blamierte sich die Flick-Elf in der zweiten Runde gegen Holstein Kiel. Nichtsdestotrotz wird man Flick als Erfolgscoach in Erinnerung behalten.

Unüberwindbare Differenzen zwischen Flick und Salihamidzic

Als der heute 56-Jährige den Chefposten beim FC Bayern (zunächst ad interim) übernahm, da taumelte die Mannschaft wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen. Auf Anhieb drehte er an den richtigen Schrauben, hauchte dem Rekordmeister neues Leben ein und führte ihn unaufhaltsam von Titel zu Titel.

Doch in den letzten Monaten herrschte auf einmal Eiszeit beim FC Bayern. Die Zusammenarbeit mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic funktionierte nicht mehr so, wie sie sollte. Es wurde (teils öffentlich) gestritten, vor allem in Sachen Kaderplanung gingen die Meinungen weit auseinander. Schliesslich zog Flick die Notbremse und bat die Vereinsführung darum, seinen Vertrag frühzeitig auflösen zu dürfen. Etwas widerwillig erfüllte man dem Baumeister der jüngsten Bayern-Erfolge dessen Wunsch. Somit war der Weg frei, um die Nachfolge von Jogi Löw anzutreten.

Fragezeichen vor Amtsantritt als Bundestrainer

Was einige vielleicht gar nicht wissen: Für Flick ist es eine Rückkehr zum DFB. Nach dem Sommermärchen 2006 stieg Jogi Löw vom Co-Trainer zum Cheftrainer auf und Flick wurde Assistent von Löw. Gemeinsam führten sie Deutschland zum WM-Titel 2014 in Brasilien. Nach dem grossen Triumph wurde er dann Sportdirektor beim DFB, ehe es ihn 2017 wieder in den Klubfussball verschlug. Flick kennt also die Eigenheiten des Jobs als Bundestrainer in- und auswendig, viel Angewöhnungszeit wird er nicht brauchen. Dem riesigen Erfolgsdruck ist er ohnehin gewachsen, denn der ist beim FC Bayern mitnichten kleiner als beim DFB.

Bundestrainer Jogi Löw und Assistent Hansi Flick (links) werden nach dem WM-Triumph 2014 von den Fans in Deutschland gefeiert.
Bundestrainer Jogi Löw und Assistent Hansi Flick (links) werden nach dem WM-Triumph 2014 von den Fans in Deutschland gefeiert.
Bild: Getty

Doch eins steht noch in den Sternen und das kann Flick nicht beeinflussen. Was für eine Mannschaft wird er übernehmen? Muss er bildlich gesprochen erneut einen taumelnden Boxer aufrichten – vielleicht gar einen, der an der EM bereits nach drei Runden k.o.-geschlagen auf den Brettern liegt, sprich wie an der WM 2018 in Russland schon in der Gruppenphase ausscheidet? Denkbar ist es, denn Deutschland wurde in eine regelrechte Todesgruppe gelost. Die Gegner sind der amtierende Weltmeister Frankreich, der amtierende Europameister Portugal und zum Schluss Aussenseiter Ungarn.

Doch es kann auch in eine ganz andere Richtung gehen. Man stelle sich vor, Jogi Löw führt Deutschland zum EM-Titel. Für den neuen Bundestrainer wäre das wohl kaum von Vorteil, genauso wenig wie ein klägliches Scheitern. Am meisten zu gewinnen hat Flick, wenn er eine intakte Mannschaft übernimmt, die an der EM Lunte gerochen, den Titel aber nicht gewonnen hat. Es wäre der perfekte Nährboden, um eine intakte Mannschaft auf dem Weg zur WM auf die nächste Stufe zu hieven, um dann in Katar ein Wintermärchen zu schreiben.