Halb Europa jagte ihn, Real Madrid hat ihn bekommen: Eduardo Camavinga. Hier ist die Geschichte eines Wunderkindes, das vor 18 Jahren in einem angolanischen Flüchtlingslager das Licht der Welt erblickte.
«Es ist ein Traum, den ich von klein auf hatte. Ich wollte bei Real Madrid spielen», sagt Eduardo Camavinga am Mittwoch bei seiner Vorstellung in Madrid. «Ich bin sehr glücklich, vielleicht ist es einer der besten Tage meines Lebens.» 31 Millionen Euro hat Real für den Mittelfeldspieler bezahlt und ihn mit einem Vertrag bis 2027 ausgestattet. Die Königlichen erhoffen sich viel vom 18-jährigen Shootingstar. «Ich werde versuchen, alles zu geben», sagt Camavinga.
Überwältigt sei er gewesen, als er erfuhr, dass er ein Spieler von Real Madrid werde. Denn sein Weg zu einem der grössten Fussballklubs der Welt war alles andere als ein Selbstläufer. «Ich dachte an meine Familie, an alle Probleme, die wir hatten.»
Vor dem Krieg geflüchtet
Geboren wurde Camavinga 2002 in einem Flüchtlingslager in der angolanischen Exklave Cabinda, in das seine Eltern aus Brazzaville (Republik Kongo) geflohen waren. «Ich musste vor dem Krieg flüchten. Das hat mir geholfen und mich stärker gemacht. Aber es ist vor allem meine Familie, die mir viel geholfen hat, und wenn ich spiele, dann spiele ich für sie», sagt der Teenager.
2003 zog die Familie Camavinga nach Frankreich, wo sie zunächst in Lille und später in der Bretagne lebte. 2013 folgte der nächste Schicksalsschlag für den kleinen Eduardo, seine Eltern und fünf Geschwister: Das gerade erst fertiggestellte Haus wurde bei einem Brand komplett zerstört, die Ersparnisse der Familie gingen buchstäblich in Rauch auf.
Der Klub Drapeau de Fougères, bei dem Camavinga damals spielte, soll der Familie Hilfe und Unterstützung angeboten haben. Vater Celestino lehnte aber ab. Weil er schlicht davon ausging, dass sein Sohn eines Tages ein grosser Fussballer sein würde, der die Familie versorgt. «Du bist die Hoffnung der Familie, du wirst das regeln», soll er dem kleinen Eduardo gesagt haben, als dieser 11 Jahre alt war.
Jüngster Frankreich-Spieler seit 1914
Vielleicht auch wegen dieser Geschichte kann Camavinga schon in jungem Alter so gut mit Druck umgehen. In Fougères blieb sein grosses Talent nicht unerkannt und so wechselte der Linksfuss 2013 ins Nachwuchs-Leistungszentrum von Stade Rennes. Sechs Jahre später, im April 2019, feierte er sein Profi-Debüt. Mit 16 Jahren, 4 Monaten und 27 Tagen war er der Zweitjüngste, der jemals für Stade Rennes zum Einsatz kam. Nur wenige Monate später erhielt er die französische Staatsbürgerschaft.
Seit seinem Profi-Debüt geht es mit seiner Karriere steil nach oben. Rasch ergatterte er sich bei Rennes einen Stammplatz und hatte grossen Anteil am Erfolg seiner Mannschaft. Die Saison 2019/20, die wegen Corona vorzeitig beendet werden musste, schloss Rennes auf dem hervorragenden 3. Platz ab. Der Klub qualifizierte sich damit erstmals für die Champions League.
So war Camavinga schon vor seinem Debüt für Frankreichs Nationalmannschaft in aller Munde. Dieses erfolgte am 8. September 2020. Camavinga wurde in der Nations-League-Partie gegen Kroatien (4:2) eingewechselt – und wurde zum jüngsten französischen Nationalspieler seit 86 Jahren. Vier Wochen später schoss der Teenager beim 7:1-Testspielsieg gegen die Ukraine sein erstes Tor und wurde zum jüngsten Torschützen im Nationaltrikot seit Maurice Gastiger im Jahr 1914.
Europas Top-Klubs stritten sich seither ums Mega-Talent, dessen Weg nun in Spaniens Hauptstadt geführt hat. Real soll bereits 2019 Interesse an Camavinga signalisiert haben. Der Youngster sagt bei seiner Vorstellung: «Sie haben mich nicht angerufen, aber ich weiss, dass Real Interesse hatte. Aber damals wie auch jetzt noch beschäftigt mich nichts als der Fussball, ich konzentriere mich nur aufs Spielen.»
Ob Camavinga auch bei den Königlichen viel Spielzeit erhält, wird sich zeigen. Im zentralen Mittelfeld hat der 18-Jährige mit Toni Kroos, Luka Modric, Casemiro und Federico Valverde grosse Konkurrenz. Dem ist sich der neue Mann auch bewusst. «Ich komme, um zu lernen, dann werde ich dem Trainer zeigen müssen, dass ich bereit bin. Ich muss sehr hart arbeiten. Mich motiviert der Konkurrenzkampf sehr», sagt Camavinga.
Real-Debüt schon am Sonntag?
Fussball-Experten, ehemalige wie auch aktuelle Stars prophezeien dem technisch beschlagenen und schnellen Mittelfeldmann aber schon jetzt eine ruhmreiche Karriere. «Er nimmt trotz seines jungen Alters bereits Einfluss. Er ist schon sehr weit. Man muss vorsichtig sein, aber er hat das Potenzial, über kurz oder lang fester Bestandteil dieser Mannschaft zu sein», sagte etwa Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps nach Camavingas Nati-Debüt.
Willy Sagnol meinte: «Ich wüsste nicht, was einer fantastischen Karriere im Weg stehen sollte. Er wird einer der besten Spieler der Welt. Sein Talent ist enorm. Mbappé ist Stürmer, daher bekommt er mehr Aufmerksamkeit. Aber ich sehe Camavinga schon fast auf Augenhöhe mit ihm.»
Am Sonntag könnte der neue Hoffnungsträger seinen Einstand bei den Königlichen feiern. Real Madrid empfängt um 21 Uhr Celta Vigo. blue Sport überträgt die Partie live und exklusiv.
So 12.09. 20:45 - 00:00 ∙ blue Sport Live ∙ Live Fussball: Real Madrid - RC Celta Vigo
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