Hinter den Kulissen der Formel E «Als Renningenieur muss man ein dickes Fell haben»

Andreas Lunghi

20.6.2025

Marius Meier-Diedrich: «Als Renningenieur braucht man ein dickes Fell»

Marius Meier-Diedrich: «Als Renningenieur braucht man ein dickes Fell»

Marius Meier-Diedrich ist Renningenieur in der Formel E. Die Rennserie unterscheidet sich für ihn nicht nur in der Art des Antriebs. Zudem ist sein Schützling zuweilen ein Heissporn.

10.06.2025

Vor dem Rennwochenende in Indonesien gewährt ein Renningenieur der Formel E blue Sport exklusiv einen Einblick hinter die Kulissen und in seinen Alltag.

Andreas Lunghi

Am 21. Juni findet in Jakarta das zwölfte Rennen der diesjährigen Formel-E-Saison statt. Du kannst ab 10.00 Uhr exklusiv im Free TV auf blue Zoom live mit dabei sein.


Sie sind am Fernsehen immer wieder zu hören, wenn sie mit ihren Fahrern kommunizieren und sind oft die Stimme der Vernunft, wenn es zu hektischen Situationen kommt: Renningenieure. 

Doch, was genau ist ihre Aufgabe? Diese Frage hat blue Sport Marius Meier-Diedrich, dem Renningenieur von Antonio Félix da Costa bei TAG Heuer Porsche, gestellt.

«Es ist eine unglaublich komplexe Aufgabe»

«Mit dem Fahrer sprechen, ist die prominenteste Funktion, die ich habe. Das ist aber natürlich auch nur der kleine Teil.» Das sei nur das Endresultat von all dem, was ausserhalb des Autos passiere.

Die Arbeit mit dem Fahrer beginne für ihn im Simulator vor den Rennwochenenden. Da werde das Fahrzeug bereits auf die Rennstrecke eingestellt und der Fahrer kann die beste Fahrlinie herausfinden. «Die Vorbereitung ist so wichtig. Wir können es uns einfach nicht leisten, mit einem schlechten Auto anzufangen, weil man dann immer einen Schritt zurück sein wird gegenüber der Konkurrenz.»

An der Rennstrecke selbst ist Meier-Diedrich dann der Vermittler zwischen Fahrer, Auto und den anderen Ingenieuren, die nicht direkt mit dem Fahrer in Kontakt sind. «Ich versuche dem Fahrer das Fahrzeug so einzustellen, dass er damit schnell fahren kann. Ich kriege Informationen von den anderen Ingenieuren, die ich dem Fahrer weitergebe.»

Diese Informationen sind nicht nur zum eigenen Auto oder was der Fahrer anders machen kann, sondern auch zur aktuellen Rennsituation und zur Rennstrategie, die ebenso wichtig ist wie ein schnelles Auto. So weiss der Fahrer, wer um ihn herum gerade im Attack-Mode ist und ihm seine Position streitig machen könnte. «Es ist eine unglaublich komplexe Aufgabe während des Rennens, alle Informationen verarbeiten zu können und dann auch das, was wichtig ist, an den Fahrer weiterzugeben.»

Der Attack-Mode und das Energiemanagement sind einzigartig für die Formel E, was auch für Meier-Diedrich etwas Neues war, als er in der Saison 5 mit Mercedes einstieg, begann er doch seine Motorsport-Karriere in der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM). «Es war sehr interessant, einen ganz anderen Rennansatz zu haben.» Am Ende des Tages sei es aber immer noch ein Rennauto und habe die gleichen Hebel wie ein Auto in der DTM.

«Es sind unvergessliche Momente»

Für Meier-Diedrich, der bereits als Kind ein grosser Motorsport Fan war und während dem Studium zu einem kleinen Team stiess, seien auch die Rennen in den Stadtzentren faszinierend: «Ich fand das mega cool, einfach im Zentrum zu fahren und da eine Rennstrecke aufzubauen. Das war schon eine verrückte Idee der Formel E.»

Sein Palmarès in der Elektroserie lässt sich sehen: 2021 gewann er die Teamwertung mit Mercedes, dazu kommen 18 Podestplätze, davon sechs Rennsiege. In diesem Jahr könnte er mit Porsche erneut Team-Weltmeister werden, liegt das Deutsche Team fünf Rennen vor Schluss doch auf dem ersten Rang der Teamwertung. «Es ist toll, wenn man für eine prestigeträchtige Marke wie Porsche oder Mercedes arbeiten darf. Und wenn man dann noch Erfolg hat, sind es unvergessliche Momente.» Solche Momente wie sein erster Rennsieg oder die gewonnene Meisterschaft werde Meier-Diedrich nie vergessen.

Bei Porsche arbeitet er seit zwei Jahren mit Antonio Félix da Costa, einem ehemaligen Formel-E-Meister, zusammen. Der Renningenieur weiss genau, was den Portugiesen stark macht: «Er weiss, in welcher Rennsituation er Risiko eingehen sollte und wenn es wichtig ist, auch mal weniger Risiko einzugehen, um später im Rennen richtig positioniert zu sein.» Dieses Rennverständnis habe da Costa dank der Erfahrung von über 130 Rennen in der Formel E.

«Man muss natürlich ein dickes Fell haben»

Auch die Zusammenarbeit mit seinem Fahrer passe für Meier-Diedrich, mit dessen emotionaler Seite weiss er umzugehen: «Er ist definitiv ein sehr emotionaler Mensch, ist aber in der Hinsicht nie überemotional. Er kann auch immer einen kühlen Kopf bewahren in den Situationen, wo es darauf ankommt. Spätestens eine halbe Stunde nach dem Rennen ist er auch wieder normal ansprechbar.»

Dennoch muss sich der Renningenieur vom Fahrer ab und an am Funk Kommentare anhören, die nicht immer ganz nett formuliert sind. «Man muss natürlich ein dickes Fell haben», sagt Meier-Diedrich mit einem Schmunzeln. Man müsse einfach darüber hinwegsehen und die eigenen Emotionen zurückfahren, um einen kühlen Kopf zu bewahren.

Dem Renningenieur fällt das leicht, denn er weiss, dass diese Kommentare nie persönlich gemeint sind und die Fahrer während der Rennen viel Adrenalin im Körper haben. «Man darf nicht vergessen, dass sie halt in jedem Rennen ihr Leben riskieren.»

Die Grundlage für eine erfolgreiche Beziehung ist wie so oft eine gute Kommunikation, das ist beim Fahrer/Renningenieur-Duo nicht anders: «Es kommt tatsächlich oft vor, dass er mir sagt, dass ich ihn jetzt in der Situation nicht ansprechen soll.» Das sei bei da Costa vor allem in den Kurven, was in der Formel E mit den kurvenreichen Rennstrecken nicht immer einfach ist. Manchmal muss Meier-Diedrich die Informationen einfach durchgeben: «Da muss man einen guten Mittelweg finden.»

Das Rennen in Jakarta kannst du am 21. Juni ab 10.00 Uhr exklusiv im Free TV auf blue Zoom live mitverfolgen.

Den aktuellen WM-Stand findest du hier.

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