Yuki Tsunoda fährt bei seinem Formel-1-Debüt in Bahrain sogleich auf Platz 9 und damit auf Anhieb in die Punkte – als erster Rookie seit 2016. Die Euphorie um den Japaner ist gross.
«Ich freue mich vor allem darüber, Punkte für das Team geholt zu haben und als erster Japaner (seit 2012) in die Top 10 gefahren zu sein», sagt Yuki Tsunoda nach seinem beeindruckenden Auftaktrennen in der Königsklasse des Motorsports bescheiden. Soeben hat er sich in Bahrain zum ersten Rookie seit 2016 und Stoffel Vandoorne gemacht, der für seinen Rennstall gleich im ersten Anlauf Punkte nach Hause fährt – und bei den Motorsport-Fans für grosse Begeisterung sorgt.
Vor allem die vielen starken Überholmanöver des Neulings hinterlassen in der Motorsport-Szene Spuren. Persönlich wird Tsunoda vor allem jenes gegen Ex-Champions Fernando Alonso in emotionaler Erinnerung bleiben: «Ich glaube ich hatte ihn das letzte Mal vor 12 oder 13 Jahren gesehen, als ich sieben oder acht Jahre alt war», gesteht Tsunoda, der sich für das Manöver schon fast beim spanischen Routinier entschuldigt. «Es tut mir auch ein bisschen leid, weil ich von so weit hinten kam.» Zur Einordnung: Als Tsunoda im Jahr 2000 in Kanagawa das Licht der Welt erblickt, ist Alonso bereits Testfahrer in der Königsklasse des Motorsports.
Talent, Wille und Lernfähigkeit
Den aufsteigenden Japaner zeichnet zum einen sein ungemeines Talent aus, andererseits legt er bereits immer wieder eine bemerkenswerte Reife an den Tag. In Bahrain beispielsweise fängt er Aston-Martin-Pilot Lance Stroll in der letzten Runde noch ab und schnappt ihm Platz 9 vor der Nase weg.
Hinzu kommt der unbändige Wille. «Es war ein sehr spätes Manöver», schildert Tsunoda den Zweikampf mit Stroll. «Aber ich hatte mir gesagt: Wenn ich ihn nicht überhole, dann kann ich die ganze Nacht nicht schlafen. Deshalb bin ich froh, die Attacke in der letzten Runde gestartet zu haben», so Tsunoda, der in den letzten Jahren und Monaten einen Aufstieg wie aus dem Bilderbuch hinlegt.
2018 noch Formel 4, 2019 Formel 3, 2020 Formel 2 und 2021 direkt in die Formel 1 – schneller kann man die Karriereleiter wohl nicht emporsteigen. Obwohl er im vergangenen Jahr gegen Piloten mit weit mehr Erfahrung antreten muss – wie beispielsweise Mick Schumacher oder Nikita Mazepin –, belegt er in seiner ersten Formel-2-Saison den dritten Schlussrang. In Bahrain lässt er mit dem Deutschen und dem Russen beide anderen Aufsteiger problemlos hinter sich.
Teamchef Tost: «Der wird Weltmeister»
Entsprechend viel Lob verdient sich der Japaner mit seinem Premiere-Auftritt von Teamchef der Scuderia Alpha Tauri, Franz Tost. «Ich glaube, er hat sogar am meisten Autos überholt. Seine Rundenzeiten waren konkurrenzfähig, auf beiden Mischungen. Damit hat er sich P9 verdient», sagt Tost und streicht Tsunodas ausgeprägte Lernfähigkeit heraus: «Dem sagst du nicht etwas, was dann beim linken Ohr rein- und beim rechten Ohr wieder rausgeht. Sondern das bleibt im Hirn haften. Er ist wirklich lernbegierig.»
Für den Österreicher besteht deshalb keinen Zweifel: «Der wird Weltmeister, da bin ich mir sicher», lehnt er sich im Interview mit «Sport1» aus dem Fenster. Und weiter: «Er hat ein unheimliches Gefühl für das Auto eingangs der Kurve zum Scheitelpunkt hin. Er ist wahnsinnig stark auf der Bremse. Und er ist ein Kämpfer.» Tost weiss, wovon er spricht – immerhin betreut er in seiner Karriere als Teamchef bereits Sebastian Vettel und Max Verstappen. Und auch Formel-1-Sportchef Ross Brawn stimmt in die Lobeshymnen mit ein.
«Er ist ziemlich amüsant und spricht im Auto eine recht knackige Sprache», merkt Brawn an und dürfte vor allem auf einen Moment in der ersten Session des freien Trainings anspielen, als das Temperament des Japaners nach einer verpatzten Runde zum Vorschein kommt: «Come on! Ich hatte verdammt nochmal Verkehr!», ist der fluchende Japaner über Funk zu hören.
Besser als Schumacher?
Selbst sieht Tsunoda seine Gefühlsausbrüche allerdings als seine vielleicht grösste Schwäche. «Im ersten Training war ich zu emotional. Ich versuche immer, in jeder Session ruhiger zu werden, denn das ist fast schon mein schwächster Punkt», zeigt er sich selbstkritisch. Nur: Wenn das tatsächlich der grösste Schwachpunkt ist, spricht das in der Tat für eine rosige Zukunft.
Die wird ihm aber auch so bereits angekündigt. «Er ist wahrscheinlich der beste Rookie seit vielen Jahren in der Formel 1», lobt Brawn weiter und sagt so indirekt auch aus, dass Tsunoda zu Beginn der Formel-1-Karriere besser ist als Mick Schumacher (Debüt 2020), Lando Norris und George Russel (2019) oder auch Charles Leclerc (2018). Dementsprechend gross ist die Hoffnung beim Sportchef, dass die Königsklasse des Motorsports mit Tsunoda ein neues Aushängeschild gefunden hat. «Wir alle erinnern uns noch an die glorreichen Tage mit vollen Tribünen in Suzuka», sagt Brawn und fügt an: «Ich denke, mit ihm werden wir das wieder erleben.»