«Bester Entscheid» Der grosse Anteil vom Schweizer Coach Pini am Slalom-Gold von Petra Vlhova

sda

9.2.2022 - 14:46

Petra Vlhova ist zum ersten Mal Olympiasiegerin. Der Erfolg im Slalom ist auch eine Bestätigung für die mit Trainer Mauro Pini eingeschlagene Richtung.

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Petra Vlhova mochte nicht daran denken. Was wäre wohl geschehen nach dem ersten Lauf, wäre Livio Magoni noch immer ihr Trainer? Sie hätte vom Italiener, diesem unnachgiebigen, für seine Praktiken berühmt-berüchtigten harten Hund von Coach, wohl einiges zu hören bekommen nach dieser verkorksten Fahrt. Es wären wohl nicht nur Worte des Zuspruchs gefallen nach dem 8. Zwischenrang und den 72 Hundertsteln Rückstand.

Aber Magoni ist seit vergangenem Frühjahr nicht mehr Trainer von Vlhova. Die Slowakin hatte die Zusammenarbeit nach fünf Jahren und just nach ihrem bisher grössten Triumph beendet, dem Sieg im Gesamtweltcup. Es hatte einiges nicht mehr gepasst zwischen Coach und Athletin. Vlhova hatte sich mehr als Maschine denn als Mensch gefühlt. Sie war Befehlsempfängerin, handelte auf Anweisung, konnte nicht mehr sich selber sein.

Das Fass zum Überlaufen gebracht hatten schliesslich unbedachte Aussagen Magonis in einem in der italienischen Zeitung «Corriere della Sera» veröffentlichten Interview. Der Italiener hatte Vlhova wegen ihres kraftvollen Fahrstils ein «Bügeleisen» genannt und als Vergleich dazu seine Landsfrauen Federica Brignone und Marta Bassino als «Diamanten» bezeichnet.

Das Lächeln ist zurück

Petra Vlhova nennt die Rochade von Magoni zu Pini den «besten Entscheid, den ich je gefällt habe in meinem Leben». Der Satz kommt etwas übertrieben daher, sagt aber mehr aus als tausend Worte. Es hört sich nach Erleichterung an, nach Loslösung, nach wiedergewonnener Freiheit.

Slalom-Olympiasiegerin Petra Vlhova strahlt um die Wette
Slalom-Olympiasiegerin Petra Vlhova strahlt um die Wette
Keystone

«Mauro gab mir das Lächeln zurück», sagte sie in Yanqing nach dem Sieg im olympischen Slalom. «Vorher hatte ich oft das Gefühl, als Skirennfahrerin nicht glücklich zu sein, dass vieles ein Müssen war. Jetzt geniesse ich wieder jeden Tag im Training auf und neben der Piste.» Sie spricht von einer ganz anderen Atmosphäre in ihrem Privatteam. «Wir lachen viel und haben jede Menge Spass.»

Pini schuf in der Equipe Vlhova eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und des gleichberechtigten Miteinanders. Er gab seiner Athletin das Selbstwertgefühl zurück, indem er sie in seine Entscheide einbezieht und mit ihr die angedachten Prozesse diskutiert. Ihre Meinung ist ihm wichtig. Das Diktatorische ist nicht mehr. Pini braucht kein machthaberisches Getue, um von der Fahrerin unbedingte Bereitschaft und Professionalität einfordern zu können.

Raum zum Durchatmen

Pini gewährt seinem Schützling im Wortsinn Raum zum Durchatmen. Seine Art des Trainerseins unterscheidet sich von der von Magoni nicht nur im zwischenmenschlichen, sondern auch im sportlichen Bereich. Im Training setzt er auf bedachte Dosierung. Er legt Wert auf Effizienz. Für ihn ist, etwa in Bezug auf die Anzahl absolvierter Läufe, weniger oft mehr.

Weniger Aufwand heisst mehr Erholungszeit. Das erreicht Pini auch mit einer gezielten Einsatzplanung. Petra Vlhova hat von den bisherigen 27 Weltcup-Rennen in diesem Winter nur 17 bestritten, nachdem sie in der Saison zuvor von Termin zu Termin gehetzt war und keinen einzigen Wettkampf verpasst hatte. Auf den Start in den Abfahrten und den Super-G hat sie vollends verzichtet. Die Wiederholung des Gewinns der grossen Kristallkugel hat nicht oberste Priorität. Ihr Programm ist auf die Olympischen Spiele ausgerichtet.

Pini fand offenbar auch an diesem Mittwoch nach dem ersten Durchgang die richtigen Worte. «Wir sind trotz des relativ grossen Abstands von Petra auf die Spitze nicht in Panik verfallen. Wir haben das Ganze sachlich analysiert und an die Wende geglaubt.»

Pini hatte das richtige Rezept für den Gewinn von olympischem Gold schon früher parat. Vor zwölf Jahren war er am Abfahrts-Coup von Didier Défago in Vancouver/Whistler beteiligt, vier Jahre danach führte er die Slowenin Tina Maze zu den Olympiasiegen im Riesenslalom und in der Abfahrt.

Vlhova gelang die erhoffte Steigerung. Sie setzte das mit Pini Besprochene um und dank Laufbestzeit eine Marke, an der die sieben nach ihr gestarteten Konkurrentinnen allesamt scheiterten. Die Slowakei hatte ihre erste Olympiasiegerin, das nächste Kapitel Sportgeschichte des Landes war geschrieben.

Grund genug für Momente der Ausgelassenheit. Vlhova tun sie besonders gut. Wie es mit Magoni gewesen wäre? Sie mochte nicht daran denken.