Fast als Letzte der Schweizer Delegation kämpft Elena Quirici am Samstag um olympische Meriten. Die Karateka aus dem Kanton Aargau will die einmalige Chance am Schopf packen.
Eine Premiere erlebte Elena Quirici bereits vor ihrer Ankunft in Tokio, wo Karate erstmals, aber bis auf weiteres auch zum letzten Mal im olympischen Programm figuriert. Auf ihrem gut elfstündigen Flug von Zürich nach Tokio nahm sie erstmals in ihrem Leben in der Business-Class Platz. «Das war ein sehr grosser Luxus. Ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte.»
Auch in den Tagen vor dem Wettkampf steht für Quirici die Erholung im Fokus. «Gut essen, gut schlafen, gut trinken, den Kopf frei behalten», sagt sie. Im Training wird nicht mehr viel gemacht. «Entweder bin ich parat oder nicht.»
Am Samstag heisst es dann Achtung, fertig, los für die 27-Jährige mit Tessiner Vorfahren. Innerhalb von rund zwei Stunden bestreitet Quirici vier Vorrunden-Kämpfe, die über Sein oder Nichtsein entscheiden. Belegt die Schweizerin einen der ersten zwei Plätze ihrer Fünferpoule hat sie eine Medaille auf sicher und kämpft am Abend um Gold, Silber oder Bronze.
«Ich bin hierher gekommen, um zu gewinnen», sagt Quirici. Dies versteht sie aber nicht als Kampfansage, sondern als Grund, warum sie überhaupt trainiert und den grossen Aufwand auf sich nimmt. Das Olympia-Ticket war der Lohn für die jahrelange Arbeit, auch wenn dieses über Umwege zustande kam. Die Qualifikation, die sie ein Jahr zuvor eigentlich bereits im Sack gehabt hatte, löste sie erst bei letzter Gelegenheit.
Zwei Glücksbringer dabei
Um für Olympia gewappnet zu sein, organisierte Quirici zuletzt ein Trainingslager auf Gran Canaria und lud Sparring-Partner ein, die ungefähr dem Profil ihrer neun möglichen Gegnerinnen entsprechen. Für alle Kosten kam Quirici selbst auf. Vor allem auch organisatorisch war das Ganze ein riesiger Aufwand. «Aber es hat sich gelohnt. Wir trainierten hart, hatten aber auch Spass. Und ich habe viel Selbstvertrauen getankt.»
Bei der ganzen Organisation geholfen hat ihr Freund und Trainingspartner Raul. Der Spanier, 2018 WM-Fünfter, begleitete Quirici auch nach Tokio. «Er ist eine grosse emotionale Stütze für mich.» Zusammen leben sie in der spanischen Stadt Toledo, auch wenn sie zuletzt mehrheitlich in der Schweiz trainiert haben. «Raul kennt mich privat sowie als Athletin sehr gut.» Er wisse, wann er etwas sagen und wann er still sein müsse.
Ein weiterer Glücksbringer befindet sich in Quiricis Sporttasche. Eine Collage mit ihren Liebsten soll ihr am Tag X die nötige Kraft, aber auch Coolness verleihen. Sie selbst bezeichnet sich als sehr offensive Kämpferin, was sie als Schwäche, aber auch als Stärke empfindet.
Ein gigantischer Anlass
Für die Karate-Familie bietet sich eine einmalige Chance, da der Sport nach seiner Premiere in Tokio drei Jahre später in Paris bereits wieder nicht mehr im olympischen Programm figuriert. «Es tut mir vor allem für die jüngere Generation Leid, die ihren olympischen Traum nicht leben kann.»
Quirici selbst lebt ihn. Nachdem sie den Start der Spiele noch auf Gran Canaria verfolgt hatte und von Schweizer Teamkollegen mit Nachrichten, Bildern und Informationen aus Japan versorgt wurde, ist sie nun selbst in ihre Traumwelt eingetaucht. «Es ist ein gigantischer Anlass. Alles ist riesig, alles ist fantastisch.» Am Samstag will sie auf dem Tatami im Nippon Budokan, dem Mekka der japanischen Kampfkünste, nun auch ihren sportlichen Traum erfüllen.