Sayonara Japan. Die olympische Familie verlässt Tokio. Zurück bleiben die Sorgen der Gastgeber. Denn die zuletzt verschärfte Corona-Lage dauert an. Die Regierung steht kurz vor Wahlen in der Kritik.
Nach Abschluss der Olympischen Spiele in Tokio haben Tausende Teilnehmer die Heimreise angetreten, während sich die Regierung des Gastgeber-Landes weiter vor gewaltigen Herausforderungen sieht. Die japanische Tageszeitung «Asahi Shimbun», eine der Sponsoren der Spiele, verwies am Montag in einem Leitartikel auf die andauernde kritische Corona-Lage in Japan. Management-Fehler der Regierung von Regierungschef Yoshihide Suga und die «erzwungene Abhaltung der Olympischen Spiele markierten ein tiefes Misstrauen und eine Spaltung in der Gesellschaft». Dies zu beheben, sei «die grösste Herausforderung, der sich die Politik stellen sollte».
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte nicht nur wie üblich Organisationschefin Seiko Hashimoto zum Ende mit dem olympischen Orden in Gold ausgezeichnet, sondern auch Premier Suga sowie Tokios Gouverneurin Yuriko Koike. In der Zeit der Corona-Pandemie habe das IOC die Unterstützung der japanischen Behörden benötigt und «immer darauf vertrauen» können, begründete IOC-Präsident Thomas Bach zum Abschluss der Spiele den Entscheid.
Der Orden ist die höchste Auszeichnung der olympischen Bewegung. Während die japanischen Athletinnen und Athleten eine Rekordzahl an Gold-Medaillen eingefahren und für eine feierliche Stimmung angesichts der Pandemie gesorgt hätten, sei Suga weit von Gold entfernt, meinte dagegen die japanische Nachrichtenagentur Kyodo.
Olympische Spiele mit negativem Einfluss
Sugas politisches Schicksal stehe «auf dem Spiel». Letztlich hätten die Olympischen Spiele einen negativen Einfluss auf Suga gehabt, wurde Iwao Osaka, Professor für politische Kommunikation an der Komazawa-Universität, zitiert. Dass die Neuinfektionen während der Spiele sprunghaft angestiegen seien, sei für Sugas Regierung «politisch ein Misserfolg». Am Schlusstag der Spiele wurden 4066 Neuinfektionen in Tokio vermeldet und damit am fünften Tag in Folge mehr als 4000. Am Tag der Eröffnungsfeier waren es 1359 gewesen.
Trotz grossen Widerstands in der japanischen Bevölkerung und steigender Infektionszahlen hatten die Olympia-Macher an der Austragung des um ein Jahr verschobenen Spektakels festgehalten. Zuschauer blieben von den Wettkampfstätten in Tokio mehrheitlich ausgeschlossen.
Suga wird sich wohl halten
Viele Experten in Japan werfen der Regierung Suga vor, es versäumt zu haben, während der Olympischen Spiele der Bevölkerung ein Krisenbewusstsein zu vermitteln. Als Folge seien die Infektionszahlen angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante des Virus rasant gestiegen. «Das Vertrauen der Menschen in die Regierung ist gesunken», sagte der Politologe Yu Uchiyama der Universität Tokio.
Gespannt wird in Japan jetzt nach Abschluss der Spiele abgewartet, ob die Paralympics anders als die Olympischen Spiele mit Zuschauern abgehalten werden können – wenn sie denn überhaupt stattfinden. Sugas Amtszeit als Chef seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) endet am 30. September, also kurz nach den Paralympics. Politische Beobachter in Japan rechnen damit, dass die LDP bei der Wahl im Herbst zwar Sitze einbüssen, Suga aber im Amt bleiben wird.