400 m Hürden Warholm erklärt seinen Fabel-Weltrekord: «Ich habe wie ein verdammter Wahnsinniger trainiert»

sda

3.8.2021 - 09:33

Karsten Warholm verblüfft sich selbst.
Karsten Warholm verblüfft sich selbst.
Bild: Keystone

Karsten Warholm pulverisiert bei seinem Sieg über 400 m Hürden in 45,94 den Weltrekord um 76 Hundertstel und stösst in eine neue Dimension vor. Und vor allem: Der Norweger traut sich noch mehr zu.

3.8.2021 - 09:33

Harry Potter ist eine der bekanntesten Romanfiguren, die es gibt. Er besitzt Zauberkräfte und tötet am Ende den mächtigen schwarzen Magier Lord Voldemort. Doch was hat Harry Potter mit Warholm zu tun? Der energiegeladene Norweger baut zur emotionalen Entspannung gerne mit Lego-Steinen und dabei entstehen wahre Meisterwerke, wie kürzlich die Nachbildung von Hogwarts, dem Internat für Kinder mit magischen Fähigkeiten, in dem Harry Potter zur Schule ging. «Das ist eine schöne Möglichkeit, Energie zu tanken und mich auf etwas zu konzentrieren, das mir Spass macht», sagte Warholm.

Warholm blieb als erster Mensch über die Bahnrunde mit Hürden unter 46 Sekunden – eine Marke, die vor kurzem noch fast unerreichbar schien. Silber ging an den Amerikaner Rai Benjamin, der in 46,17 Sekunden ebenfalls klar unter dem alten Weltrekord blieb, Bronze sicherte sich der Brasilianer Alison dos Santos (46,72).

Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, dass auch Warholm selber über Zauberkräfte verfügt. Jedenfalls ist es unglaublich, was der 25-Jährige am Dienstagmittag Ortszeit bei grösster Hitze auf die Bahn gezaubert hat. Er stiess mit der Verbesserung des eigenen Weltrekordes um 76 Hundertstel auf 45,94 Sekunden in eine Sphäre vor, die zu erreichen praktisch unmöglich schien. «Das ist so verrückt», sagte Warholm, der nach dem Zieleinlauf vor Freude sein Leibchen zerriss. «Das ist mit Abstand der grösste Moment meines Lebens.»

Hartes Training

Das Erfolgsrezept? «Ich habe wie ein verdammter Wahnsinniger trainiert.» Sein Programm umfasst am Montag, Mittwoch und Freitag «hochqualitative» Einheiten, die bis zu sieben Stunden dauern können. Diese beinhalten Sprints und Hürdenläufe, aber auch Krafttraining sowie plyometrische Übungen (Sprungtraining). Am Dienstag, Donnerstag und Samstag sind die Einheiten kürzer, macht er beispielsweise ein Intervall-Training auf einem Laufband.

Training ist das eine, gerade so wichtig ist das psychische Wohlbefinden, um solche Leistungen abzurufen. Von daher ist Trainer Leif Olav Alnes ein entscheidendes Puzzleteil für den Erfolg. Als Warholm eine Veränderung brauchte, wurde ihm der 64-Jährige empfohlen. Zwar wollte der studierte Biomechaniker seine Trainerkarriere beenden, er liess sich jedoch auf die Zusammenarbeit mit Warholm ein. Das war 2015.

Ein Ernährungsexperte kocht für ihn

Sie seien ein «einzigartiges Team», sagte der Olympiasieger. Die beiden sind mehr als nur Trainer und Athlet, sie verbindet eine Freundschaft, was für Warholm ein Muss ist, wenn so viel Zeit miteinander verbracht wird. «Wir haben viel Spass zusammen und teilen den gleichen Humor. Es ist, als wären wir geistig gleich alt.» Am Sonntag, wenn Erholung angesagt ist, nutzen die beiden gemeinsam den Jacuzzi in Alnes' Garten.

Warholm schätzt an Alnes auch dessen Ehrlichkeit: «Wenn ich mein Potenzial nicht ausschöpfe, kann er sehr hart sein.» So sagte Alnes 2018 zu ihm, dass er zu dick sei. Darauf antwortete Warholm: «Du bist auch zu dick. Also nahmen wir beide ab, was bei beiden ziemlich gut geklappt hat.» Überhaupt erkannte Warholm die Wichtigkeit der Ernährung. Ein Jahr lang bereitete ein Experte all seine Mahlzeiten zu.

Diese besondere Gefühl in der Brust

Warholm war zunächst Mehrkämpfer und brachte es im Zehnkampf immerhin auf 7764 Punkte. 2016 konzentrierte er sich erstmals auf die 400 m Hürden, ein Jahr später wurde er bereits zum ersten Mal Weltmeister, was «für mich ein kompletter Durchbruch war». Die Fortsetzung ist bekannt.

«Ich hatte letzte Nacht Mühe einzuschlafen, weil ich dieses besondere Gefühl in meiner Brust hatte, vergleichbar mit jenem, das ich als Sechsjähriger an Heiligabend hatte, eines, von dem du glaubst, dass du es nie mehr haben wirst. Aber ich hatte es vergangene Nacht», sagte Warholm.

Er war so fokussiert darauf, die letzte noch fehlende Goldmedaille in seinem beeindruckenden Palmarès zu holen. «Nun muss ich mir neue Ziel setzen. Ich glaube aber, noch nicht fertig zu sein.» Mal schauen, was für Zauberstücke er noch bereit hat.

sda