Der 40-jährige Simon Ammann und der «junge Wilde» Marius Lindvik kreuzen am Samstag in China die Wege. Der eine freut sich über Gold, der andere über gute Sprünge.
Noch einmal unterbricht Simon Ammann seine – wie meist – ausführlichen Erklärungen und blickt hoch zur futuristischen Schanze in Zhangjiakou. Ryoyu Kobayashi, der Topfavorit und Führende nach dem ersten Durchgang landet bei «nur» 138 m und fällt hinter den Norweger Marius Lindvik zurück. «Wieder ein junger Wilder, der es macht», entfährt es dem vierfachen Olympiasieger spontan.
Vielleicht erinnert er sich in dem Moment nochmals an die goldenen Tage von Park City, als er bei den Spielen 2002 als 20-jähriger Jungspund seine ersten beide Olympiasiege einsprang. Lindvik ist drei Jahre älter als Ammann damals – und er selber 40 und an seinen siebten Olympischen Spielen.
Die fast übermenschliche Aufgabe
Er ist also nicht mehr der junge Wilde, sondern der Oldie. Und ein durchaus zufriedener Oldie. «Es war eine fast übermenschliche Aufgabe», dozierte der vierfache Olympiasieger in seiner ansteckenden Begeisterungsfähigkeit für das Skispringen. Er hatte den ganzen Winter lang den Rückstand, den er sich durch einen Bänderriss im Sommer eingehandelt hatte, nicht wettmachen können. Deshalb war es für ihn bereits ein riesiger Effort, sein Flugsystem auf dem Olympia-Bakken in Schwung zu bringen.
Mit drei Sprüngen über 130 Meter hinaus (131,5 und 132,5 m im Wettkampf, davor 130,5 m im Probedurchgang) gelang Ammann diese Herkules-Aufgabe vorzüglich. Dass dies nur zum 25. Platz reichte, lag an der enorm starken Konkurrenz und war dem Toggenburger letztlich egal. «Ich habe Freude, dass es so gut aufgegangen ist», meinte er zufrieden.
Er habe die störenden Gedanken, die ihn noch von der kleinen Schanze geplagt hatten, weg gebracht. «Ich hätte mehr solcher Sprünge im Vorfeld gebraucht, aber nach der Verletzung im Sommer war das mit dem Formaufbau nicht besser möglich.» Er habe deshalb rechten Stress gehabt und sei jetzt zufrieden, was er geschafft habe.
Blick zurück von Lindvik
Bilanz ziehen über seine lange Karriere wollte Ammann aber noch nicht. «Das ist schwierig für mich, dafür bin ich noch zu nahe am Wettkampf.» Vor allem freut er sich auch speziell auf einen letzten Olympia-Auftritt am Montag. Erstmals seit 2006 ist nämlich wieder ein Schweizer Team dabei.
Um den Sieg oder die Medaillen werden die Swiss-Ski-Springer auch da nicht mitkämpfen. Das können eher die Norweger mit dem neuen Überflieger Marius Lindvik. «Als junger Springer habe ich mir die Siege von Simon natürlich angeschaut», versicherte der neben der Schanze eher ruhige Lindvik auf Anfrage. Er muss Whistler/Vancouver 2010 meinen, denn 2002 war er gerade mal drei Jahre alt.